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Kernpunkten ihres Interesses: dem Gebäude mit den jetzigen Kryptaräumen und der «Heiden-
kirche», dem jetzigen Baptisterium. Aus diesen zwei Bauten wurde damals einer. Hierbei
benützten sie in echt aquilejensischer Art Fundamente und Mauerwerk der früheren Bauten
als willkommene Substruktion oder Mauer für den Neubau.

Ob dieses Interesse aber nur in der Ausnützung einer günstigen Baugelegenheit bestand,
ist eine Frage, die sich mit Rücksicht auf den Doppelbau, den wir fanden und der uns noch
näher beschäftigen wird, fast entscheiden läßt. Hätten bloß nüchterne praktische Erwägungen
damals gegolten, wäre es mit Einer Basilika genug gewesen. Auf jeden Fall muß zur gleich-
zeitigen Errichtung eines zweiten parallelen Baues irgend ein Interesse, das über das bloße
Bedürfnis hinausgreift, bestimmend eingewirkt haben.

Welcher Natur aber diese Erwägungen waren, kann, wenn überhaupt, so nur aus dem
damaligen Legendenschatze Aquilejas entnommen werden.

2. Die legendarischen Voraussetzungen

Für die Geschichte des Hermagorasdomes hat es zunächst ein Interesse, ganz abgesehen
vom historischen Wert der Legenden Aquilejas, diese als Erklärungsversuche für vorhan-
dene Monumente, vielleicht als Baumotive der altchristlichen Zeit, zu betrachten. Hierbei
mögen jene Berichte zum Teil durch die Monumente gestützt erscheinen und so an Wert
gewinnen.

Hören wir nun in kurzen Zügen, was man sich in Aquileja nach dem Konstantinischen
Friedensedikte über die letzte Verfolgungszeit erzählte.

Südlich vom Dome außer den Stadtmauern verehrte man das Märtyrergrab der Pilger aus
Vicenza, namens Felix und Fortunatus; es stand wohl noch der Jupitertempel, vor welchem
sie auf dem «capitolium Iovis» zum Abfall verleitet werden sollten, als Apollinaris praeses
Italiae und Euphemius Richter in Aquileja war.1) Auch Anderes wußte man noch zu er-
zählen. Wie Viele hatten es noch miterlebt, waren als Kinder zu jenen Kerkern gegangen,
die in den unzweifelhaft historischen Marterberichten, die wir kurz anführen wollen, eine
bedeutsame Rolle spielen.

So konnten sie sich zur Zeit, als Konstantin die Fahne Christi, das labarum, aufpflanzte,
sehr wohl erinnern, wie sein Vorgänger Diokletian in ihren Mauern geweilt und hier einen
Mann, namens Chrysogonus,2) wegen seines christlichen Bekenntnisses vor sein Tribunal
geladen hatte.3) Nachdem letzterer ehrenvolle Versprechungen zurückgewiesen, wurde er
ad Aquas gradatas bei dem heutigen, auf der Strecke nach Triest gelegenen S. Canzian ent-
hauptet. Sein Grab war also nicht in Aquileja.4)

*) Acta SS. Boll., Juni II, S. 462 ff. Die standhaften Brüder
wurden bei der Brücke über den Natisso auf dem Richtplatze enthauptet.
Ob diese Brücke die südlich vom Dome gelegene ist, mag zweifelhaft
sein, aber in derselben Richtung und natürlich außerhalb der Stadt stand
die Basilika über dem Grabe selbst. Dieses enthielt freilich nur den
Leib des heiligen Felix und das Haupt seines Bruders, während die
Vicentiner die übrigen Reliquien auf heimischem Boden bestatteten,
wo sich bald ebenfalls eine Kirche über dem Grabe erhob. Die neu-
gefundenen Mosaiken in Vicenza deuten noch auf eine römische Bau-
periode. Die Grabplatte der Heiligen mit der Öffnung des altchrist-
lichen Kataraktes wurden aber leider in die Wand der ebenfalls restau-
rierten Krypta eingemauert. Das Gedächtnis der Heiligen feierte man
im alten Aquileja am 14. August, gegenwärtig am 16. Juni, während
das römische Martyrologium den 11. desselben Monates für sie nennt.
Das Jahr dieses Martyriums ist uns nicht überliefert. Im Martyro-
logium Hieronym. ist ihr Gedächtnis angeführt XVIIII Kl. Sept. IN
AQVILEIA Sei Felicis. Furtunati. Vincentiae. Der ibid. zitierte Codex
Wissenb. schreibt offenbar unvollständig: Et in aquileia Nat. scörum
felicis vincentiae. ibid S. 106.

2) Acta SS., April I, S. 247. Mombritius I, S. 200 ff. Vigliegas
Vita S. Chrysogoni war mir nicht zugänglich.

3) Nach der Legende war Chrysogonus schon in Rom gefan-
gen gewesen und schriftlich vom Kaiser nach Aquileja berufen worden.
Über diese angeblich später hinzugekommene Beziehung des Chryso-
gonus zur Basilika gleichen Namens in Rom vgl. Dufourcq, Gesta mar-

tyrum, S. 121. Über den strittigen Aufenthalt Diokletians in Aquileja
siehe Mommsen, Zeitfolge, S. 413 f., 420 u. 429, wornach durch die
verschwindend wenigen Reskripte des Kaisers aus dem Abendlande
ein Aufenthalt für das Jahr 296 in Aquileja (prid. Kai. April.) sicher er-
scheint. In Verbindung mit einem mailändischen Aufenthalte könnten
noch die Jahre 286 und 293 in Frage kommen. Rom betrat der Kaiser
nur einmal. Wenig Wahrscheinlichkeit hat Treus, Monumenta, S. 33,
Anm., für sich, wo das Jahr 303, resp. 302 verteidigt wird gegen
Acta SS., die (1. c. S. 247) sich für 289 entscheiden. Über die Möglichkeit
einer Christen verfolgung unter Diokletian noch vor der großen Verfolgung
vgl. Otto Hunziker, Zur Regierung .., S. 136—160 und S. 261—277, dazu
Beiträge, S. 4 ff., worin ganz vereinzelte Ausnahmen vor 303 zugege-
ben werden. Nach Preuss, Diokletian, S. 144 f. wäre die Wahrschein-
lichkeit keine große. Ibid. 160 f. könnte auch ein Aufenthalt des Kaisers
im Jahre 304 für Aquileja gefolgert werden.

4) Der ins Meer geworfene Leichnam wurde «iuxta posses-
sionem, quae dicitur ad saltus» am Strande gefunden und von dem
Presbyter Zoilus in suis aedibus (wohl auf dessen Besitz) beerdigt.
Die Entfernung dieser Martyriumstätte von Aquileja aus wird in den
Akten der Cantianer angegeben mit duodeeimo milliario ab urbe Aqui-
leia trans flumen Hysontio loco qui vocatur Aquas Gradatas. Acta SS.
Mai VII, S. 239 und S. 428 f. Das würde über das heutige S. Canzian
bis gegen Monfalcone zu verweisen. Das Wegmaß ist also sicher
nicht nach dem späteren, angeblichen Grabe in S. Canziano berechnet,
sondern muß auf ältere Überlieferung zurückgehen. Aquae gradatae

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