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Malkowsky, Georg [Red.]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0143
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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.

12$

Gruppe: Das Mädchen aus der Fremde. Entworfen von Professor Andresen; Königl. Porzellan-Manufaktur zu Meissen.

Gespräche und Selbstgespräche in der Weltausstellung.

I I I i denkt sich die Pariser als ein heiteres lebens-
*Ml=j*s lustiges Völkchen. Ich habe stundenlang hinterein-
^r ander auf den Boulevards gesessen und die Massen
an mir vorbeiströmen lassen, ich kann in diesem Gesichts-
ausdruck keine leichte Auffassung des Lebens finden. Wenn
dem Besucher der Weltausstellung immer eingewandt wird,
das seien ja gar nicht Franzosen, die auf den Boulevards
umherlaufen, so ist das nicht richtig. Der Fremdenverkehr
mag noch so gross sein, bis jetzt ist die Mehrzahl derer,
die auf den Boulevards das Pflaster treten, doch immer
noch französisch und sogar pariserisch. Paris macht nicht
den Eindruck der heiteren lebenslustigen Stadt, als welche sie
geschildert wird, und man kann es sich kaum anders denken, als
dass sie es früher gewesen und es heute nicht mehr in demselben
Masse ist. Je mehr das französische Temperament dem deut-
schen entgegengesetzt war, desto kräftiger waren die Anregungen,
die von dort aus zu uns kommen. Auf diesen Anregungen
beruht ein gut Stück deutscher Kulturgeschichte und es wäre
bedauerlich, wenn wir sie für die Zukunft entbehren sollten.
Was unser Volkscharakter strenges und kühles hat, bedarf
zum Ausgleich der heiteren Anmut unseres Nachbarvolkes.
Ich hatte immer die Hoffnung, dass wenn einmal die Ver-
stimmung, die die beiden Nachbarvölker in der gegenwärtigen
Generation trennt, mehr zurücktritt, dass dann auch unserem

Nachdruck ohn-2 Oin;-!lu:ia:i^;i!)(.' verboten.

Volkscharakter im herzlichen nachbarlichen Verkehr manch
neuer Zug eingeimpft werden könnte. Statt dessen sieht es
augenblicklich so aus, als ob die Franzosen uns nordischen
Eisbären es nachmachen. Die meistbewunderte französische
Leistung auf dieser. Ausstellung, Exposition retrospective des
arts, ist sie.'micht ein Werk, von dem man früher geglaubt
hätte, es sei nur in Deutschland möglich? Schon der Gedanke,
anderthalb Jahrtausende der Kunstentwickelung zur Schau zu
stellen, hat bei aller Hochachtung vor der Leistung doch nichts
künstlerisches, sondern etwas pedantisch gelehrtenhaftes an
sich. Wenn man so etwas- in Deutschland machte, so würde
man sagen, die Kunstabteilüng gipfele ,in einem Musterwerke
von deutschem Fleiss und- deutscher'Gründlichkeit, um mit
diesen Komplimenten den Mangel an Grazie zu verdecken.
Sollten die Franzosen dies .etwa auch schon nötig haben? —
Man spricht soviel dayonj .. dass das Familienleben, auf dem
schliesslich der Fortgang' aller Kultur beruht, in Frankreich
die Rolle nicht mehr'-''spiele, und die Statistik weist nach, dass
das Zweikindersystem verbreitet genug ist, um die Fortexistenz
der Rasse zu gefährden. Sollte die Nation etwa schon Ver-
änderungen des hippokratischen Gesichts zeigen? Man kann
sich des Eindruckes nicht erwehren, dass man in eine Nation
kommt, die die Lust* an sich selbst nicht mehr in dem Masse
wie früher besitzt, die sich nicht mehr zuruft: Werde, der du
 
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