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grenzt. Wasserlandschaften, Wälder, Vögel in der
feinsten und wirklich künstlerischen Weise ausge-
führt, jeder Stich wunderbar exakt, die Farbenwahl
brillant. Jedes Stück ist eine Arbeit mehrerer Jahre
von zwei bis fünf der geschicktesten Stickerinnen.
Ähnliche, wenn auch nicht mit gleicher Vollendung
ausgeführte Seidenstickereien, meist Wandschirme,

china finden sich in dem chinesischen Dorf auf dem
Trocadero; diese sind verhältnismässig weit billiger
zu haben. — Schliesslich sei noch einer kleinen

persien persischen Ausstellung im Palais des Fils Tissus
et Vetements gedacht, in der ein enormer Teppich
mit einem prächtigen blauen und roten Muster auf
altgoldenem Gründe das Mittelstück bildet; er ist
Eigentum des Hussein Kuli Khan. Die meisten
Teppiche befinden sich in den Pavillons der orien-
talischen Staaten in der Rue des Nations; in den
dortigen Pavillons von Schweden und Bosnien
werden prächtige Teppiche von Frauen gewebt als
Musterarbeiten der heimischen Hausindustrie. Viele
moderne Dekorationsstoffe sieht man in den Palästen
des Kunstgewerbes auf der Invaliden-Esplanade,
die wertvollsten alten und neuen französischen
Gobelins im Grand- und Petit-Palais — ja, der
Fachmann hat keine kleine Arbeit, bis er alles,
was/ in sein Gebiet gehört, auf dieser Ausstellung
kennen gelernt hat. Auch auf dem Trocadero
in der Kolonialausstellung harren seiner inter-
essante exotische Gewebe; wer dürfte die Textil-
ausstellung Canadas vergessen, die so ziemlich alle
Tucharten enthält, sogar fertige Kostüme, eine
kleine Konkurrenz für Paris! Und welche Pelze
findet man in der canadischen Abteilung!

Es ist ein gewaltiges, imponierendes Bild mo-
dernen Kulturstandes, menschlicher Genialität und

Energie, welches sich uns in der Pariser Textilausstellung
beut. Staunend wird der Laie, voll stolzen Bewusst-
seins der Fachmann durch die zahllosen Säle des
Palais des Fils Tissus et Vetements hindurchschreiten.
Das ist ein gigantischer internationaler Wettkampf
der Grossindustrien, in dem jedes Land das Beste
bieten und im Geheimen von anderen lernen will.
— Gedenken wir noch am Schlüsse dieses Kapitels palais de la
einer Bewegung, die im vergangenen Säkulum so FEMME
mächtig anschwoll und die für die Zukunft weitere
bedeutende Umwälzungen zur Folge haben und
deren bisherige Früchte man im Textilpalaste fast
auf jedem Schritt erkennen kann, des Selbständig-
keitskampfes der Frau. Auf keinem anderen
Arbeitsgebiete fand die Frau für eigene Existenz
häufiger und bessere Plätze wie in unserer Industrie;
den Beweis hierfür erbringt die Statistik, welche
die bekannte französische Frauenrechtlerin Madame
Pigard aufgestellt und in ihrem Palais de la
Femme veranschaulicht hat. Wer wird nicht mit
Interesse ihre Tabellen vom Fortschreiten des Selb-
ständigkeitskampfes der Frau in jenem Palaste stu-
dieren, den Madame Pigard für sich und ihre gleich-
gesinnten Schwestern als einen nicht unberechtigten
Triumph auf der Weltausstellung, dieser Apotheose
aller Erfolge und Bewegungen des vergangenen
Säkulums, gebaut hat? Mit Freuden sehen wir den
Fleiss, und gern wird das stärkere Geschlecht die
besondere Mitarbeit der Frau an dem Fortschritt
unserer Industrien und Kunst anerkennen, haupt-
sächlich ihre Verdienste um das gewaltige Aufblühen
der Textilindustrie; in letzterer seien die Frauen
uns stets als Mitarbeiterinnen wie als selbständig
Wirkende willkommen; die Erde hat Platz für alle
Fleissigen! C. L.

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