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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 9.1910

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Nr. 7
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Breuer, Robert: Deutschland auf der Brüsseler Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.24106#0390
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^MODERNE BAI 'KÖRNEN ' :

DEUTSCHLAND AUF DER BRÜSSELER WELTAUSSTELLUNG

VON ROBERT BREUER-WILMERSDORF

Internationale Ausstellungen haben den Vorteil,
absolute Masstäbe zu gewähren. An den Leistungen
der Völker kann jedes einzelne Volk seine Produktion
auf deren Weltmarktwert hin einschätzen. Auch die
Besucher, die beobachtenden wie die kaufenden,
können vergleichen, um so die durchschnittliche
und die ideale Leistungsfähigkeit der verschiedenen
Nationen festzustellen. Ist dies die spezifische
Existenzberechtigung einer Weltausstellung, so wer-
den wir sofort fragen: wie steht es bei der Brüsseler
Heerschau um Deutschland? Ohne Chauvinismus
und ohne Verkennung der übrigen Leistungen darf
man nach sorgfältigster Prüfung antworten: Deutsch-
land hat einen bedeutsamen und für die künftige
Entwicklung wahrscheinlich entscheidenden Sieg
errungen. Es wäre ein falscher und feiger Inter-
nationalismus, wollten wir nicht mit allem Nachdruck
und ohne jede Abschwächung konstatieren: dass
Deutschland unverkennbar auf dem Wege ist, einen
neuen, zur Weltherrschaft bestimmten Geschmack
zu schaffen. Dies gilt speziell für die Gebiete der
Architektur und des Gerätebaues, doppelt für die
Kunst, Innenräume zu gestalten. Während die
romanischen Länder dem Prinzip nach in den roya-
listischen Stilen stecken geblieben sind und nur mit
wenigen Versuchen von einem Bedürfnis nach
neuen, das Leben der Gegenwart ausschöpfenden
Formen Kunde geben, zeigt Deutschland in geschlos-
senem Zusammenhang die Dokumente eines moder-
nen, in seiner Sachlichkeit und Klarheit notwendigen
Stiles. Während die wenigen Versuche der andern
Völker, ausgenommen die Holländer, noch unsicher
um jenes undisziplinierte Empfinden kreisen, das
wir als Jugendstil längst überwanden, weist die
Deutsche Ausstellung auch denen, die geschmack-
lich nicht ebenso zu empfinden vermögen, doch in
aller Klarheit: ein lebensfähiges, jeglicher Ausbil-
dung zugängliches Prinzip. Und wir werden nicht
fehl gehen, wenn wir annehmen, dass alle Einsich-
tigen des Auslandes diese Gesundheit des deutschen
Prinzipes erkennen. Darin eben wurzelt unser Erfolg.

V Die Deutsche Abteilung, die abseits der anderen
Hallen liegt, ist die einzige, die einen architektonisch
durchgebildeten Komplex, eine Form, darstellt.
Alle übrigen Hallen (England ausgenommen) be-
gnügen sich damit, hinter einer Maskenfassade Raum
für Ausstellungszwecke abzustecken; die Deutschen
haben der praktischen Aufgabe zugleich eine rhyth-
mische Lösung gefunden. Während etwa die bel-
gischen und französischen Eisenhallen nur nackte
Konstruktionen blieben, oder gar durch mässige
Mittel dekorativ belastet wurden, haben Dülfer,
Behrens und Walter dem Eisengefüge einen archi-
tektonischen Ausdruck abgewonnen. Bruno Paul
ersann einen ebenso praktischen wie ästhetisch
wohltätigen Grundriss für die Räume des Kunst-
gewerbes, er komponierte in klarer Uebersichtlich-
keit Wandelgänge, kleinere Zimmer, grosse und
hohe Räume; er bändigte, der Aufgabe gehorsam
und doch seine ganze Persönlichkeit entladend, die
Unordnung der vielfältigen Ausstellungsobjekte zu
einer schönen Einheit. Emanuel von Seidl baute
die Aussenwelt, die Mauern und Dächer; er baute
auch das zweistöckige Ehrengebäude. Das wurde
in der Tat ein Stück der deutschen Welt. Man
mag getrost mancherlei gegen Einzelheiten zu
opponieren haben; als Ganzheit wirken diese ge-
sellten schwarzen Dächer in ihrer schützenden
Zärtlichkeit, in ihrer gemächlichen Würde, diese
weissen Mauern in ihrer rustikalen Derbheit als
eine gesunde und in sich reife Monumentalität. V

V Die eigentlichen Innenräume sind nach verschie-
denen Serien geordnet. Wir treffen die Zusammen-
stellung einer vornehmen Wohnung, eine Reihe
schlichter und spezifisch bürgerlicher Räume, die
Räume eines Sanatoriums, die Appartements eines
Herrenklubs und eine Folge öffentlicher Lokalitäten;
dazu kommen dann noch die eigentlichen Repräsen-
tationsräume der Deutschen Abteilung, Eingangs-
hallen, Wandelgänge, zwei Gartensäle, ein grosser
feierlicher Rundsaal. Mit jeder dieser Gruppen soll
gezeigt werden, dass wir es gelernt haben, klar

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