DOI Artikel:
Kaufmann, E.: Frankfurter Kleinwohnungstypen in alter und in neuer Zeit
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0153
SCHONE AUSSICHT' in Frankfurt FRANKFURTER KLEINWOHNUNGSTYPEN
IN ALTER UND NEUER ZEIT
von Baurat E. Kaufmann
Die Baugefchichte lehrt uns, dafj zu allen Zeiten typenmäfjige Grundrifjge-
ftaltungen eine wichtige Rolle im Wohnungsbau gefpielt haben. Man hat es
in früheren Zeiten einfach als felbftverftändlich angefehen, dafj gleichartige
Aufgaben auch gleichartige oder nur wenig von einander abweichende Löfun-
gen bedingen, zumal dann, wenn, wie es beim Profanbau ftefs der Fall war,
wirtfchaftliche Erwägungen eine ausfchlaggebende Rolle fpielen.
DieLebensbedürfniffe derMenfchen find in ein und derfelben Zeit und inner-
halb ein und derfelben fozialen Schicht tatfächlich verhältnismäßig wenig ab-
weichend von einander, und es wäre deshalb ein Widerfinn, wenn Strafjen,
die zum Wohnen für beftimmte Menfchengruppen errichtet werden, wild
und uneinheitlich in ihrer äußeren Erfcheinung und in ihrer Grundrifjftruk-
tur wären. Einefolche mifjverftandene Betonung der Individualität blieb
der Kulfurlofigkeit der letjten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts vorbehalten,
einer Zeit, in der durch eine Reihe unglückfeliger Umftände die gute Tra-
dition im Städtebau wie überhaupt jede handwerkliche Überlieferung faft
völlig abhanden gekommen war. Durch nichts ift der parvenühafte Charakter
diefer Zeit vielleicht ftärker gekennzeichnet als durch die unvornehme Art, mit
welcher fich jede Hauseinheit, die damals entftand, gegenüber dem Nachbarn
hervorzutun fuchte, ihn durch unfachliche Geftaltungsmittel in feiner Wirkung
zu beeinträchtigen ftrebte und fo nicht nur die Abficht, felbft zur Geltung zu
kommen, verfehlte, fondern auch die ganze Strafjenzeile völlig disharmonifch
machte.
Den neuen Verfechtern einer vernünftigeren Auffaffung von Architektur und
Städtebau wird immer wieder zum Vorwurf gemacht, dafj fie mit ihren typifchen
Geftalfungen, mit ihren Normalifierungsbeftrebungen einen öden Schematis-
mus herbeiführten. Demgegenüber erfcheint es doch notwendig, fich einmal
vor Augen zu halten, in wie bewufjter Weife die Menfchen kulturell höher
ftehender Zeiten fich den Geftaltungsproblemen der Wohnung gegenüber
verhalten haben. Unfere Abbildung 27 zeigt Grundriffe und Anfichten einer
Hausreihe an der fchönen Ausficht in Frankfurt a. M., welche nach den Bau-
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IN ALTER UND NEUER ZEIT
von Baurat E. Kaufmann
Die Baugefchichte lehrt uns, dafj zu allen Zeiten typenmäfjige Grundrifjge-
ftaltungen eine wichtige Rolle im Wohnungsbau gefpielt haben. Man hat es
in früheren Zeiten einfach als felbftverftändlich angefehen, dafj gleichartige
Aufgaben auch gleichartige oder nur wenig von einander abweichende Löfun-
gen bedingen, zumal dann, wenn, wie es beim Profanbau ftefs der Fall war,
wirtfchaftliche Erwägungen eine ausfchlaggebende Rolle fpielen.
DieLebensbedürfniffe derMenfchen find in ein und derfelben Zeit und inner-
halb ein und derfelben fozialen Schicht tatfächlich verhältnismäßig wenig ab-
weichend von einander, und es wäre deshalb ein Widerfinn, wenn Strafjen,
die zum Wohnen für beftimmte Menfchengruppen errichtet werden, wild
und uneinheitlich in ihrer äußeren Erfcheinung und in ihrer Grundrifjftruk-
tur wären. Einefolche mifjverftandene Betonung der Individualität blieb
der Kulfurlofigkeit der letjten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts vorbehalten,
einer Zeit, in der durch eine Reihe unglückfeliger Umftände die gute Tra-
dition im Städtebau wie überhaupt jede handwerkliche Überlieferung faft
völlig abhanden gekommen war. Durch nichts ift der parvenühafte Charakter
diefer Zeit vielleicht ftärker gekennzeichnet als durch die unvornehme Art, mit
welcher fich jede Hauseinheit, die damals entftand, gegenüber dem Nachbarn
hervorzutun fuchte, ihn durch unfachliche Geftaltungsmittel in feiner Wirkung
zu beeinträchtigen ftrebte und fo nicht nur die Abficht, felbft zur Geltung zu
kommen, verfehlte, fondern auch die ganze Strafjenzeile völlig disharmonifch
machte.
Den neuen Verfechtern einer vernünftigeren Auffaffung von Architektur und
Städtebau wird immer wieder zum Vorwurf gemacht, dafj fie mit ihren typifchen
Geftalfungen, mit ihren Normalifierungsbeftrebungen einen öden Schematis-
mus herbeiführten. Demgegenüber erfcheint es doch notwendig, fich einmal
vor Augen zu halten, in wie bewufjter Weife die Menfchen kulturell höher
ftehender Zeiten fich den Geftaltungsproblemen der Wohnung gegenüber
verhalten haben. Unfere Abbildung 27 zeigt Grundriffe und Anfichten einer
Hausreihe an der fchönen Ausficht in Frankfurt a. M., welche nach den Bau-
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