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{NOTIZEN

C Portugal. I) Was wir moderne portugiefifche Litteratur nennen,
beginnt etwa um das Jahr 1880. KeinerihrerSchriftftellerhat die
Vierzig überfchritten. In diefem Artikel ifi von denen die Rede,
die für gewiffe moderne Ideen als führend %u betrachten find.
Neben dem verflorbenen Cesario Verde, dem impreffioniflifchen
Verskünfller, fleht in erfter Reihe: Fialho D'AlmeidA. San
Werk fetzt fich bisher am Erzählungen und hritifchen Studien
Zufammen. Studien Kultur- und kunfthiflorifchen Charakters.
Namentlich die Erzählungen (Contos) enthalten feine vornehmflen
Eigenfchaften. Er ifi Pbantafl, alles was er fieht, durchdringt er
mit feiner unbändigen Luft nach Größe, er fucht das Fremde in
der Erfchdnung, das Unwahrfchdnliche. Und wiederum giebt er
realiflifdoe Schilderungen, energifche Bilder, gezeichnet wie mit der
Radiernadel, Hospitalfcenen, Kirchhofsbilder, Sterbeflunden. Er
iß ironifdo, aber feine Ironie ifl ein wenig gekünftelt, mühfam,
erfchöpfend; er ifl ein zu flarkes Temperament, umfie zu beherrfchen.
Dies Temperament beftimmt auch feine kritifdoen Qualitäten. Er
iß immer pofitiv, immer leidenfchaftlich übertreibend, fdbald er
das Objekt gefunden, das feine eigene Individualität verwandt-
fchaftlich berührt. Aber m diefem vielleicht engen Wege fieht er
hell, was fich hier aufhält, entdeckt er mit der plötzlichen blitz-
ähnlidjen Schärfe aller Kritiker, die Individualitäten — alfo
eigentlich keine Kritiker find. Sein Stil —fein Profa — ifl unrein,
unregelmäßig, aber reich und zuwdlen farbig; er ifl eine voll-
kommen moderne Erfchdnung mit allen Reizen und Fehlern der
Moderne. Von feinen Werken nennen wir: Contos, Cidade do
Vicio, Lisboa Galante, Vida ironica, Pasquinadas, e os Gatos.
■— Der Repräfentant des Germanismus in Portugal, der In-
teüigentefte und zweifellos Begabtefle ifl heute Moniz Barreto.
Seine Studie über Oliveira Martins, die in der erften Nummer
der Revifla de Portugal erfchien, ebenfo wie die über die zdt-
genöffifche portugiefifche Litteratur haben feinen Ruf begründet.
Er hat für die Anregung der mländifchen Litteratur durch die
Autoren der Fremde, denen Portugal zum großen Tai den
litterarifchen Auffchwung verdankt, fehr viel gefhan. Seine etwas
abflrakt gehaltene philofophifche Betrachtungsart verlangt gefchulte
Lefer, fein Stil ifl korrekt, mit jener Schärfe des Ausdrucks die
fiarkm auf Reflexion beruhenden Überzeugungen eigen ifl. Wir
Zitieren feine Arbeit über Paul Bourget und die Carta a El-Rei
de Portugal, beide in der Revifla erfchienen. — Sowohl für Profa
wie für Poefie bedeutend gilt Luiz de Magalhäes, deffen Ge-
dichte Primeiras Verfos, Navegacöes, e ödes e Cancöes, und fein
Sittenroman, O Brafileiro Soares, fowie feine Chronik, Notas e
imprefföes ihn mit unter die erften reihen. Er ifl der Dialectiher
unter den Jungen; die Form feiner Werke verrät dem Stil wie
dem Inhalt nach den Redner im befferen Sinne des Wortes. Er

ifl der mitteilfame Enthufiaft, ein überfließendes rdches Tempera-
ment mit gefunden Sinnen und einfachen, edlen Gefinnungen.
Man begreift leicht, daß er den Umftand, der Sohn eines Landes
mit ruhmrdcher Vergangenheit zu fein, nicht unbenutzt läßt und
mit Vorliebe die Gefchichte und die Legenden feiner Heimat ver-
wertet, die den Mittelpunkt zu feinem Hauptwerk bilden: D.
Sebafliäo. — Ein Lyriker reinen Stils ifl Antonio Fei/O mit
feinem Sinn für den Wohllaut, auch bei der fremden Sprache, die
er brillant wiederzugeben verfleht. Davon giebt feine Über-
fetzung aus dem Chmefifchen: Canconeiro Chmer Zeugniß, ein
reiches mofaikartiges Bild orientalifcher Erotik. — Schwer ifl es
Alberto D'Oliveira zu beftimmen. Ein Idealifl, wenn man
darunter den bewußten Träumer verfleht, der Wirklichkeit abge-
wandt, der das Leben nur hinnimmt, wenn es ihm möglich ifl,
es in einer Wolke von Traum und Phantafie zu leben. Gefällige
Formen; feine Poefieen gleichen dem Murmeln des Baches, man
hört zu, ohne auf den Sinn zu achten, bezwungen von dem
diskreten Wohllaut. — Eines der mtereffanteflen Dokumente für
die portugiefifche Litteratur hat Antonio Nobre mit feinem
Gedichtbuch So geliefert. Ein Kranker, ein fchöner Kranker von
der Art, wie fie in der Litteratur aller Länder heute graviert,
aber dner mit künfllerifchen Qualitäten, mit Perfönlichkdt, fo
individuell, daß er fich technifch m Formen zu äußern fucht, die
nur ihm gehören, und daher bis zur Schöpfung ägener Aus-
drücke geht, flofflich aber fo auf das Ich befchränkt, daß er mit
Fakten handelt, die kaum noch durch die größte Darftellungs-
hunft auf das Niveau dnes Intereffes gehoben werden können.
In allen fdnen pathologifchen und fymbolifchen Studien aber
dne ganz unverkennbare Individualität, die man fchätzen
muß, felbß wenn man von dem Ton fdner fchwer er-
träglichen Eitelkeit des Schmerzes abgefloßen wird. — Einer
der bedeutendflen ifl Eugenio de Castro, der abfolute Künft-
ler unter den Jungen, der fich vollkommen vom Stoff eman-
cipiert, von allen nicht rdn künfllerifchen Empfindungen, und
nur die Form geben will, die fchöne Form, Kunfl. In diefem
Beßreben muffen viele Vorzüge der Individualität, des Perfönlichen
Zu Gwnften der großen künfllerifchen Rundung verfchwmden,
aber fie werden durch diefe in der Moderne fo feltenen rdn-
äflheiifchen Faktoren vielfach erfetzt. Mit diefem äflhetifchen
Einen paart fich dn flarker Peffimümus und diefe Mifchung ifl
fdt den Claffikern feiten. Bd E. de Caflro tritt auch der
Schmerz gßgm d08 Schöne zurück, er objektiviert ihn, man
empfindet ihn, aber man fieht nicht die Zuckungen. Diefe
Aflhetih tritt bd Caflro fowdt hervor, daß fie dnen fdnen Peffi-
mismus vollkommen überflügelnden Faktor fdner Lebensan-
fchauung bildet, fie wird phihfophifch. Er wdß, daß die Menge

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