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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 8
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Schäfer, Wilhelm: Der Neubau der Alten Mainbrücke in Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0291
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Der Neubau der Alten Mainbrücke in Frankfurt a. M

s ist immer ein Fehler, wenn Sentimentalitäten
in Kunstdingcn mitsprechen, und durch diese
Brückenfrage sind sie in ungewöhnlicher Weise
aufgerufen worden. Nun gibt es freilich n»r eine
Alte Mainbrücke: die Geschichtc dcr Stadt Frankfurt
von ihrem sagenhaften llrsprung an, wie ihr be-
rühmtes Schaubild haben hier gleichviel ihr Rückgrat,
und da ist — wie man weiß — jedes Lebewesen emp-
findlich. So kann man verstehen, daß die heimat-
schützlerischen Gefühle sich zunächst mit besonderer
Hartnackigkeit gegen den Abbruch wehrten und seiner-
zeit den Trierer Tag für Heimatschutz und Denkmals-
pflege darum bemühten. Wenn auch von dem alten
Wahrzeichen nur noch die Fundamente stehen, die
langst aller mittelalterlichen Aufbauten entkleidet sind,
so daß der Charakter des Bauwerks eigentlich nur in die
Barockzeit zurückweist: so ist gleichwohl auch in der Ver-
stümmelung etwas übrig ge-
blieben, das — umspielt
von Sagen und geschicht-
lichenErinnerungen hundert-
fältiger Art — ein Juwel
baukünstlerischer Schönheit
darstellt, wobei freilich weni-
ger an die sogenannte Archi-
tektur als an eine Ver-
schmelzung der Bauteile mit
der Landschaft gedacht ist,
die selten so vollkommen
wurde wie hier.

Wer unsere Abbildungen
der alten Brücke sowie ihren
Grundriß prüft, wird sofort
erkennen, daß die landschast-
liche Grundlage von unge-
wöhnlicher Güte ist. Jn-
dem sich zwei Jnseln dem
dadurch verbreiterten Strom
einlagern, die, von der
Brücke hoch überwölbt, nwhr
oder wcniger unbenutzbares
Tiefland blieben, hat sich
mitten in einer Großstadt

ein Stück Urnatur erhalten und entfalten können, das
auch einer weniger schönen Brücke einen bestrickenden
Reiz geben würde. Nun aber klingt sie mit dem derben
Schwung ihrer Bögen und dem mmvitterten roten
Sandstein prachtvoll hinein und man kann die Be-
mühungen wohl verstehen, möglichst viel von diesem
Aauber (der außerdem für einige hunderttausend
Menschen das schönste Stück Heimat darstellt) zu er-
halten.

Das einfachste wäre natürlich, den gegenwärtigen
Iustand unberührt zu lassen; nachdem aber der wirt-
schaftliche Ehrgeiz der Stadt den neuen Osthafen als
einen Stapelplatz nicht nur der Mainschiffahrt, sondern
auch des rheinischen Schiffverkehrs geschaffen hat, ist
der Brücke an sich das Todesurteil gesprochen; denn daö
Vertrauen wird man zum Tiefamt der Stadt haben
müssen, daß alle Behauptungen der Schiffahrts-Jnter-

essenten aufs schärfste durch-
geprüft sind, daß die Brücke
also tatsachlich ein Verkehrs-
hindernis darstellt, daß eine
Entwicklung der Großschiff-
fahrt durch die Enge ihrer
Bögen nicht nur gehindert,
sondern unmöglich ist. An-
ders steht es freilich um die
prachtvolle Natur derJnseln,
und hier — will mir schei-
nen — hat eine Senti-
mentalität von Anfang an
der natürlichen Auffassung
einen Streich gespielt, in-
dem sie sich zu sehr von
historifchen Rücksichten leiten
ließ. Wenn ich den Vortrag
von Linnemann in Trier
seinerzeit nicht falsch ver-
standen habe, ging seine
Tendenz — nicht sein Ge-
schmack — in der Richtung
Bodo Ebhardtscher Burgen-
erhaltung; die Wehmut um
das verlorene Mittelalter

Lageplan dcr Alten Mainbrücke.



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