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42

Beschreibungen

La critique artistique, et en particulier la critique
allemande, qui, sous pretexte de science, chercbe
parfois midi ä quatorze heitres, nous parait donc
se perdre ici en d'inutiles conjectures. [Paquier
1913,361)

Die Kunstschriftstellerei und insbesondere die
deutsche, die mit wissenschaftlichem Vorwand
Schwierigkeiten sucht, wo keine sind, verliert sich
hier nach unserem Dafürhalten in unnötigen
Mutmaßungen.

Diese Kritik war am Anfang des 20. Jahrhun-
derts nicht völlig neu. Sie wurzelt in der bereits
besprochenen Tradition des l'art pour l'art (vgl.
oben S. 37). Parallel zu den in immer neuen
Farben blühenden Deutungen der Neuen Sakri-
stei wurde diese Kritik auch in neueren Publi-
kationen fortgesetzt. I03

Die unterschiedlichen Ansichten über die Deut-
barkeit der Grabmäler der Neuen Sakristei und
die fast unübersehbare Vielfalt kontroversester
Deutungen läßt keinen Konsens erwarten. Aus
der Sicht der vorliegenden Studie ist festzuhal-
ten: Auffallend viele Deutungen sehen in den
Skulpturen den Ausdruck für einen Gehalt jen-
seits der sinnlichen Gestalt; daher verzichten sie
auf Beschreibung. Sofern in diesen Texten eine
Beschreibung der Skulpturen vorhanden ist,
bleibt sie weitgehend unabhängig von der Deu-
tung. Autoren, die ihre Deutungen aus der
Beschreibung der Grabmäler entwickeln, sind
dagegen die Ausnahme. Die Deutung verhält
sich in diesem Fall wie die Zuspitzung der
Beschreibung, sie ist die konzeptuelle Eng-
führung einer Interpretation.

Kriterien einer Analyse der beschreibenden Sprache

»Any language [...] is a conspiracy against expe-
rience in the sense of being a collective attempt
to simplify and arrange experience into mana-
geable parcels. The language has a limited num-
ber of categories, grouping phenomena in its
own way, and a very limited number of Conven-
tions for setting these categories in relation to
each other.« Nach Michael Baxandall [1971,
44] erschwert Sprache die Erfahrung von Sach-
verhalten, da sie nur über eine begrenzte Anzahl
von Ausdrücken verfügt. Allerdings ermöglicht
Sprache auch Erfahrungen oder zumindest ihre
bewußte Wahrnehmung durch das Angebot
bestimmter Ausdrucksformen. Sprache gibt der
Erfahrung anhand der ihr verfügbaren Katego-
rien Gestalt, sie zwingt sie aber auch in das Kor-
sett ihrer Strukturen. Die hier vorgenommene
Analyse der Beschreibungen der Neuen Sakri-

stei ist lediglich ein erster Versuch, auf Grund-
strukturen dieses Mediums hinzuweisen, vor
allem im Hinblick auf die Frage, inwiefern die
historisch gewachsenen Strukturen die Interpre-
tation der Beschreibungen mitbestimmen. Ich
wende mich zuerst Aspekten der Semantik (S. 42
- 47) und später der Syntax (S. 47 — 5i)zu.IQ4

Zur Begrifflichkeit
der Beschreibungen

An den Texten über die Mediciskulpturen zeigt
sich ein Grundproblem, das jeder Beschreibung
von Kunstwerken zugrunde liegt: Die Sprache
besitzt kaum Begriffe, die spezifisch Werke der
bildenden Kunst bezeichnen. ios Ein Kunstwerk
zu beschreiben heißt vielmehr, sich diesem mit

I03 Ausführlich u.a. bei Pope-Hennessy [1963, bes. 23 ff.]
und Weinberger [1967, 386 ff. und 399 ff.].

IO* Eine Vertiefung dieser Analyse, die von einer Zusam-
menarbeit mit Sprachwissenschaftlern profitieren
könnte, sollte auch die Satzstrukturen, den Einsatz

bestimmter Wortarten (insbesondere die Verwendung
von Eigenschaftswörter), die Modi und Tempi der Ver-
balformen usw. untersuchen. Sehr aufschlußreich
wären auch komparatistische Untersuchungen über
den Einfluß bestimmter Sprachen auf die Kunstrezep-
 
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