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SALAMI

(Zur Uraufführung in der Münchener Staatsoper)
Von Conte Arterio Sklerosi.

„La Salami est la reine des saucisses' Andre Doulieux.

Salami und Vollbier, unteilbar, unmittelbar, — das sind
die Schlüsselworte zum Werk Oskar Wilderers, des
Heimatdichters und Volkskomponist >n von Rabelholzen
a. d. Sulz (Landkreis Laufen), dessen Oper, in welt-
abgeschiedener Bodenständigkeit entstanden, über ein
Jahrzehnt in einer Mehlkiste des väterlichen Anwesens
geschlummert habend, nun endlich seine Uraufführung
erlebte. Ich weiß noch nicht, ob es sich um einen
Triumph der Literatur über die Musik, oder um die
musikalische Ueberwältigung der Literatur handelt, —
Libretto und Komposition sind von demselben Qebärer,
— auf alle Fälle aber handelt es sich um einen Triumph
Bayerns über die Welt. Denn dieser einmalige Wurf in
der Operngeschichte ist zugleich ein Bekenntnis zum Ui-
bayerntum, wie es bodenverwurzelter nicht denkbar ist.
Die stilkritisch und ästhetisch gegerbten Felle schwim-
men uns davon angesichts des einaktigen Ungeheuers,
das ausartend irgendwo Bayreuth entschlüpfte, um in
feuerspeiendem Drachenflug über unsern Häuptern zu
kreisen. Edleres, Lieblicheres, Tieferes, Menschlicheres
ist vielleicht erdacht worden, — Heftigeres, Aufwühlen-
deres, Gefährlicheres, Maelstrom-Aehnlicheres noch nie!
Leider hat nicht Freud die Leitmotive dieser Oper
psychoanalisiert, sondern nur Musikgeiehrte, daruntei
allerdings Anton Kirchleitner, der Accordeonist, und Am-
bro: Hummelsberger, der Fotzhoblist von Weltruf. Am
Ende der Ungeheuerlichkeit, wenn Bibiana die Adoptiv-
tochter des Gastwirts Siebzehnrübel aus Miesbach, mit
ihren lüsternen Plänen Schiffbruch erlitten hat, wundert
man sich, noch Kleider auf dem Leibe zu haben. Hemd und
Unterhose sind durchgeschwitzt, — es sei denn, man
gehöre zu den musikalischen Jochanaans. Und selbst in
letzterem Falle koppt es einem zumindest auf.
In medias res: Die Oper kulminiert äußerlich in Bibiana
Siebzehnrübels Salamitanz, dem bacchantischen Landler,
in dem die Unzucht über die Zucht zu obsiegen scheint
und den Solti ekstatisch vortrug, das Schlagzeug heftig
packend, das molto mosso, Cis-dur, etwas zurückhaltend
Szenisch, als Ganzes, bleibt es in seiner Animalität noch
zahm. Eine kühnere Orgie, bei der sich Bibiana auch
noch ihres Hemdes und ihres „Flanell-Hansels" zu ent-
ledigen ■ gehabt hätte, hatte ich mir erhofft. Alois
Gschwendtner, der Regisseur, wäre der Mann .gewesen,
mehr zu wagen, und Annemarie Satzger das Weib
Immerhin, er wagte (es sei ihm ausdrücklich gedankt!)
eine Menge, als er sich diese nuancenlüsterne Künst-
lerin zum zart-grausam lechzenden Sphinx-Raubtier, zu
einem in naiv-wollüstiger Verstiickheit sich windenden
Panter herrichtete. Die Satzger ist eine Wilderer-sin-
gende Untermieterin des , Hörseiberges, eine Salami-
lürstin von so ungewöhnlichem Reiz, daß noch im Nach-
gefühl der betörenden Leistung ihrer körperlich-sang-
lichen Einheit die Erregung in .uns phosphoreszierende
Supplementärzitterungcn hervorruft, vergleichbar (wenn
auch inadäquat!) dem seelischen Niederschlag der dämo-
nisch-parfümierten Klassizität eines Phosphorbomben-
angriffes aus dem Jahre 1944.

Das Welke, Fröstelnde, das Glutende, Peitschende der
Handlung kommt am besten zum Ausdruck in der Szene,
wo der jungverheiratete Xaver Sternetzeder plötzlich
austreten muß, sie, Bibiana, ihm jedoch im fahlen Gelb-
Purpur ihrer Wolkenatmosphäre die Herausgabe des
entsprechenden Schlüssels versagt Erst durch Abgabe
einer ganzen Salami läßt sie sich schließlich erweichen,
ihm das ersehnte Kabinett aufzuschließen. Doch nun hat
sie ihn ganz in ihrer Hand, denn die Wurst gehörte
eigentlich Notburga, der Frau des Sternetzeder, die auf

Fr. Kuntze

sündhafte Beziehungen ihres Gemahls zu der buhlerisch
veranlagten Wirtstochter schließen wird, wenn sie die
Delikatesse in ihrem Besitze weiß. Das Symbolhafte des
Vorganges ist klar. Bibiana hatte als Gastwirtstochter
selbstverständlich Zugang zu Wurstwaren aller Art.
Druckmittel und Pfand sollte ihr diese Salami sein,
weiter nichts. In der Tat betört Bibiana den aus dem
Kabinett Zurückkehrenden durch ihren Salamitanz so
stark, daß es beinahe zu etwas gekommen wäre. Im
letzten Augenblick erscheint jedoch Willibald Schina-
beck, der Geliebte der Wirtstochter, und sieht nach dem
Rechten. Creszentia, Xavers Gattin, und Rochus, Bibia-
nas Stiefvater, stellen sich ebenfalls ein und die Salami,
die ums Haar einen ehrsamen Ehemann auf dem Pfade
der Tugend zum Straucheln gebracht hätte, wird ein-
trächtig von allen Anwesenden gegessen. Dazu wird
vom Wirte gestiftetes Vollbier getrunken und das dra-
matische Geschehen klingt aus in einen Schuhplattler,
an dem insgesamt 24 Personen teilnehmen.
Ich denke, daß Wilderer für Solti ein gefundenes Fres-
sen darstellt, wie auch vice versa. Wilderer stößt inspi-
rativ, kunstwollüstig in alle Einzelheiten vor, bevölkert
die Bühne mit Erlebnissen des Unfaßbaren, Inkomprehen-
siblen, ja Undefinierbaren — und siehe da: Das Ding
schwitzt Blut aus ohne aus seiner Haut zu schlüpfen,
belebt mit der verwirrenden Kraft der Kantilene Rand-
figuren, Staffage, Zuschauerraum, Garderohe, Kassa, —
kurzum alles. Mehr kann man wirklich nicht verlangen!
Opern wie diese stellen nicht schlechthin ein Ereignis
dar. Man bezeichnet sie am besten als Evenement. Der
Duft, den „Salami" ausströmt, steigt dem Theaterkritiker
zu Kopf, so daß er, von ihm inspiriert, Artikel schreibt,
bei deren Lektüre der Normalleser spontan in Juhu-
schreie und Jodeln ausbricht.

Was zu beweisen war . . . Walter F. Kloeck

SM MM* Li-BRIE FRÄSTEN

Berufssorgen. Werden Sie doch Portier. Türhüter
braucht man immer, auch wenn es außer der Tür
nichts zu hüten gibt. Je unbedeutender der Betrieb,
desto gewaltiger die Pförtnerloge und desto größer
die Anmeldeformulare, die ausgefüllt und unter-
schrieben zurückgebracht werden müssen. Eine der
wertvollsten Errungenschaften des Krieges ist diese
Wichtigtuerei mit der „Einlaßerlaubnis". Die ein-
stige „Wehrwichtigkeit" wird solcherart von Behör-
den, Direktoren und Miniaturbetrieben aller Art
weiter betont!

Neuzeitliche Spottverse? Sie irren: das alte Lied „Da
ist aus dem Einsiedel ein Zweisiedel word'n" geht
auf die Liebelei eines allzu weltlichen Eremiten zu-
rück und hat nichts zu tun mit dem wegen Spio-
nageverdacht verhafteten Grafen E nsiedel. Herr
Graf, Ritterkreuzträger und Verfasser des Werkes
„Von Wiesbaden über Stalingrad nach Moskau —
und zurück" werden vielmehr längere Zeit gezwun-
genermaßen einsied-lig bleiben.

Einmachzeit. Selbstverständlich können Sie Ihren
Mann und seine Gefühle wie jedes andere Frisch-
gemüse durch Einkochen haltbar machen und für
die langen Winterabende aufsparen. Wecken Sie ihn
in sauber gewaschenem Zustand ein und halten Sie
ihn unter Glas, damit nicht fremde Bakterien (Ba-
zillus amoris illegitimi) das kostbare Einmachgut ge-
fährden können. Viele Frauen schützen sich auf diese
Weise gegen das Eindringen des bekannten blonden
Giftes. Liebe ist Schall und Rauch — steril ist alles!

Singvogp.L in Stuttgart. Versuchen Sie mit Ihrem Ta-
lent, sich den Zutritt zur Musikhochschule zu er-
zwingen. Da 50 Austritten dreimal soviel Neu-An-
meldungen gegenüberstehen, wird ja ohne ..weiteres
deutlich, daß nur der Alterspessimismus der Pro-
fessoren die strenge Siebung für nötig hält und nur
500 Studierende zulassen will. Die Jugend weiß es
besser: neben der Medizin gehört der Musik die
Welt, darum hinein in dies Studium!

Oft gehörter Spruch. „Si vis pacem para bellum"
(wenn du den Frieden willst bereite den Krieg vor)
ist eine der ältesten und erfolgreichsten Lügen der
Menschheit. Von den Römern formuliert, von Crom-
well und anderen auf die Münzen geprägt, wird er
auch in der Neuzeit so oft zitiert und „befolgt" bis
— „es" schießt!

öl au) die Wellen. Hetzen Sie nicht immer gegen die
liebe Schwägerin, glätten Sie die Wogen des Fami-
lienzwistes, wirken Sie auf Bruder und Vater so
ausgleichend, wie die Verwaltung von Landwirt-
schaft, Ernährung und Forsten auf Butter und Mar-
garine, die es in Zukunft in ein „ausgeglichenes
Verhältnis" bringen will.

Wohin mit dem Überschuß? Nachdem sich die Be-
satzungsmacht in Südwürttemberg vom 1. Oktober
ab nicht mehr aus dem Lande ernährt, müssen Sie
eben versuchen, Ihre Produkte an die Bevölkerung
abzugeben, wenn man auch diese nicht voreilig an
solche Unmäßigkeit gewöhnen soll.

ueere Kassen. Aber, Herr Finanzsachverständiger,
wer wird so einfallslos sein. Der bayerische Finanz-
minister will die Staatstheater schließen, um zu spa-
ren, das Städtchen Rothenburg liebäugelt mit einer
„Antennensteuer", das Glück eines eigenen Zimmers
soll versteuert werden — und da will und will aus-
gerechnet Ihnen nicht irgendeine gute Idee kommen,
um neue Gelder aus den Untertanen herauszuholen?
Wie wäre es mit der Salzsteuer — nachdem uns
Bier, Tabak und Kaffee schon so versalzen wurden?

IMerklnrHche Unternehmungslust. Sie stehen etwas
geängstigt vor der geradezu dynamischen Tatkraft
Ihres achtzigjährigen Vaters, der, obwohl seit Jah-
ren bettlägerig, auf einmal noch einen Eis-Stand auf
der Straße betreiben möchte? Was kann, so fragen
Sie, in dem Greis diese gewaltige Raffgier erzeugt
haben? Ja, was kann es bloß sein? Vielleicht braucht
er etwas Geld zum Leben, nachdem sein bißchen
Vermögen 100:5 abgewertet wurde, oder?

Wfciß-scriujarz-praue Fleischmärkte. Ja, der Geist ist
willig, aber das Fleisch ist schwarz. Aber wir sollen
ja jetzt zu erhöhten Preisen den grauen Fleisch-
markt und zu kleinen Preisen auf dem weißen Markt
unsere 300 - Gramm - Ration bekommen. Vielleicht.
Hoffentlich heißt es nicht nur: geteiltes Fleisch ist
halbes Fleisch, geteilter Markt ist doppelter Preis.

Einkauf squellen. Strümpfe, Nähmaschinen und Tep-
piche kaufen Sie am besten auf dem Land, beim
„Erzeuger". Der doppelte Transportpreis von und
zur Stadt wird einkalkuliert. Sollten Sie Ihre eigenen
derartigen Stücke wieder erwerben wollen, lassen
Sie sichs durch Dritte besorgen. Man muß recht von
Herzen auf die Qualität schimpfen können, denn die
Frage „Wo habt ihr denn dieses Glump her?" er-
öffnet normalerweise die Kaufdebatte.

Wohnkultur. Nein. Sie befinden sich im Irrtum! Sie
haben als Flüchtling gar keine Veranlassung, Ihr
menschenunwürdiges Zimmer wohnlicher zu gestalten.
Wenn Sie trotzdem auf eigene Kosten einen neuen
Fußboden legen, die Wasserleitung einrichten, den
Riß in der Mauer ausbessern und eine neue, gut-
schließende Tür anbringen lassen, dann ist es nur
recht und billig, wenn der einheimische Hauswirt für
sein nunmehr bestes Zimmer mehr Miete verlangt,
besonders, nachdem es sich um einen armen Groß-
bauern handelt.

DIE MITARBEITER DES HEFTES,

soweit sie in den bisherigen Heften nicht verzeich-
net waren: Richard Kaufmann, 1. 4. 1914 in Wittlich/
Eifel; Friedrich Franz Kuntze, 1. 10. 1908 in Berlin;
Walter Kohlhase, 6. 3. 1908 in Raguhn; Egon Giordano,
Daten folgen.

„DER SIMPL" erscheint im Monat zweimal

Bezugspreis im Vierteljahr DM 3.— zuzügl. 25 Pfg. Zustellgebühr.
Verlag „DER SIMPL" (Freitag-Verlag), München 23, Werneck-
Straße 15a. Fernruf: 362072. Postscheckkonto: Der SIMPL, Mün-
chen Nr. 91999. — Herausgeber: Willi Ernst Freitag. — Red.
M. Schrimpf. — Sprechstunden: Dienstag und Donnerstag von
9 bis 12 Uhr. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte und
Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Freiumschlag ist
beizulegen. — Klischees: Brend'amour, Simhart & Co., Graphische
Kunstanstalt, MUnchen. — Druck: Süddeutscher Verlag GmbH
München 2, Sendlinger Str. 80. — Auflage: 75 000. — Copyright
by Freit«g-Verlag 1946. — Published under Milit ary-Goveinment
Information Control Lioense No US-E-148

Ob mit, ob ohne Glatze

jeder liest Wallace

Edgar Wallace:

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Jeder Band ca. 240 Seiten. - Preis voraussichtlich DM 4.50 - Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Lizenzdruck des Wilhelm Goldmann-Verlages, Leipzig
FREITAG-VERLAG, MÜNCHEN

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Titel

Titel/Objekt
"Salami"; "Ob mit, ob ohne Glatze jeder liest Wallace"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
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Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

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Signatur: Fr. Kuntze

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München

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Restaurierung

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Thema/Bildinhalt (GND)
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Satirische Zeitschrift

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Der Simpl, 3.1948, Nr. 19, S. 224.
 
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