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ROMANE NACH REZEPT

Aufruf des Schudeschudi

Der „Schutzverband der Schundroman-Dich-
ter" (Schudeschudi) wendet sich mit einem
Aufruf an seine Mitglieder und Freunde, den
wir seiner Dringlichkeit wegen einer weite-
ren Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollen:

Monatelang sind reizende Schundhefte, Magazine
und Romanperlen aller Art aus Österreich gekom-
men. Mit rauhem Griff versucht nun die Behörde,
diesen Zustrom hochgeistiger Güter zu unterbinden,
der unermüdlich und zollfrei auf eine schlichte
„Jeia-Geschenklizenz", als Geschenke für deutsche
Zweigstellen .österreichischer Verlage, über unsere
Grenzen floß. Eine verständliche Aufregung hat-
sich nun vor allem der Leser von Fortsetzungs-
Romanheften bemächtigt, die sich um den Erfolg
ihrer Bemühungen bei der Entwirrung schicksals-
schwerer Kriminal- und Liebesknoten gebracht
sehen

Das zu erfahren, hat die pp. Leserschaft ihr wohl
bezahltes Recht! Wer ersetzt den bisherigen Auf-
wand an schlaflosen Stunden, Herzschmerzen und
Nervenzerreißungen infolge übergroßer Spannun-
gen, der für die Verschlingung des größten Teiles
der 500 000 Kilogramm illegal vertriebener Druck-
erzeugnisse geopfert wurde? Wollen etwa die
bayerischen Zeitungsverleger oder das Wirtschafts-
ministerium, die Zollbehörde oder gar die Polizei
hier Ersatz schaffen oder das Werk weiterführen?
Nein, hier gibt's nur eines: Schunddichter des In-
landes an die Front, an das Loch in unserer Süd-
ostgrenze!

Gründliches Studium der gängigsten bisher ein-
geführten Erzeugnisse setzen den Schudeschudi
in die Lage, ein paar wichtige Anweisungen für
die Herstellung solch spannender Lektüre zu
geben: „Vor allem nehme man einen Titel, der
brünstig, vielsagend und erotisch klingt, doch gar
nichts verrät. Er soll keinen direkten Bezug auf
die Handlung haben, damit der Dichter nicht fest-
gelegt ist und notfalls Handlungen und Titel
untereinander vertauschen kann. Als bewährte
Titel dieser Art seien erwähnt: ,Sei mein!',
,Weiche, Versucher!' ,Hab mich lieb', ,Mich auch!'
,Schrei des Weibes' (oder des Mannes, der Liebe,
der Nacht, der Stunde oder nach einem der bezeich-
neten Dinge). Als Untertitel benutze man: Roman
(Drama, Tragödie, Lied oder Buch) einer Gefalle-
nen, Gesunkenen, Verführten, Verlassenen, einer
Nonne, Sekretärin, Mutter (!J, Maitresse oder
Herrenreiterin, eines Künstlers, Artisten, Stier-
kämpfers, Frauenlieblings oder schlicht: eines Ver-
brechers!

Die Handlung selber ist unwichtig, man entnehme
sie den bereits vorliegenden Bänden, doch mische
man die Kapitel etwas und streue stets etwas
Courths-Mahler über das Ganze. Doch achte man
darauf, nur gute, sauber gebrühte Schauplätze der
großen Welt zu nehmen: St. Moritz (Winter) und
Riviera (Sommer), Palm Beach und Bad Schachen,
Berlin und Baden bei Wien, Grinzing und Markus-
platz, Los Angeles und Stölpchensee. Darüber
^ieße man ein paar ölige Tropfen Unterwelt:
Berliner Verbrecherkeller und Wiener Kanal-
chächte, Londoner Slums und Pariser Apachen-
okal (ev Marseille), Abruzzenräuber und Chika-
;oer Gangster, Hoteldieb und Spionin, Prostitu-
tion und einen Schuß mit vergiftetem Luftbolzen
iuf einem Spazierritt.

LITERARISCHE BOSHEITEN

Hermann Ulbrich-Hannibal

Das einzig Wertvolle mancher ausländischer Ro-
mane ist, daß sie von einem geschäftstüchtigen
Verleger nach Deutschland importiert worden sind.

Wenn Redakteure in ihren Zeitschriften eigene
Gedichte veröffentlichen, hat man den Eindruck,
daß diese anderwärts nicht gedruckt werden würden.

Wenn Hedwig Courths-Mahler mit ihren Romanen
nur solche niedrige Auflage erreicht hätte, wie Ger-
hart Hauptmann mit den seinen, wäre sie kaum
angefeindet worden.

Mancher Dichter verdankt seinen Platz in der
Literaturgeschichte nur der Mitgift seiner Frau,
die es ihm ermöglichte, seinen literarischen Nei-
gungen zu leben.

Vor deutlichen Intimitäten habe man keine Scheu,
doch verzichte man auf die gerichtsnotorisch be-
kannte Beiwohnung. Es genügt, dem vertrauten
Leser wie auch dem sinnigen Illustrator, daß die
Rede ist von einem ,Zurücksinken', einem .Weg-
reißen der himbeerfarbenen Daunendecke', einem
,gestammelten Duu-u-h-u', einem .Zusammenbre-
chen auf einem stets weißen Leib', einem .gierigen
Blick nach jener Stelle der Bluse (des Nacht-
hemdes), wo sich die spitzen Brüste abzuzeichnen
pflegen' oder einem ,Griff nach dem bald darauf
in Fetzen gehenden Kleid'. Dabei betone man,
daß die Haut straff, die Haare weich, der Mund
kühl, die Nägel spitz, der Körper wissend (oder
zu neuem Wissen erwacht) seien. Über die neuesten
Errungenschaften der Kosmetik vergesse man
nicht, sich in den einschlägigen Geschäften zu er-
kundigen: man spüre dann dem Vamp nach bis zu
den vergoldeten Hühneraugen und den rosigen
Farbtupfen hinterm Ohrläppchen, während man
sich von der ungepuderten Unschuld durch ihren
natürlichen Duft bezaubern lasse. Für Duft kommt
ansonsten nur die französische Parfümerie in
Frage, wobei es gut ist mit,Mille fleurs' und ,Tabac
blond', mit ,Pour toi' und ,Ce que tu veux' um
sich zu werfen. Von Naturschilderungen sehe man
tunlichst ab. es genügen die paar Akzente, die zur

Erhöhung des Gefühlslebens im allgemeinen be-
nutzbar sind: brütende Hitze, abendliche Kühle
auf schwellendem Moos unterm funkelnden Ster-
nenzelt, aufrüttelnder Föhn bis zum untergangs-
schweren Taifun, schneeige Gipfel, zum Absturz
einladend, Kirschblüten, für Verlobungen geeignet,
Alpenglühen zur Anbringung kurzer hehrer, mora-
lisch einwandfreier Sentenzen, Tropennächte zur
Vorbereitung kleinerer Ausschweifungen.
Aus den bekannten Gefühlsfabriken beziehe man
einen genügend großen Vorrat an Liebesglut und
Eifersucht, Verzweiflung und Rachedurst, Ver-
führungskunst und Hingabebereitschaft, Edel-
schmalz und ranzigem Hammelfett, mische sie den
übrigen Zutaten bei, bis durch vieles Umrühren
ein ziemlich dünner Brei entsteht, den man not-
falls leicht färbt, auswalzt, auf Blech schmiert,
mit buntem Einbandpapier verziert und bei leisem
Feuer trocknen läßt.

Es werden auf diese Weise immer gleich drei bis
acht Romane gleichzeitig fertig. Die Produkte nach
diesem Rezept werden gerne gekauft, besonders,
da sie lobenswert billig gehalten werden können
und so geeignet sind, die nach gleicher Vorschrift
gearbeiteten fremdländischen Erzeugnisse zu er-
setzen und schließlich ganz vom heimischen Markt
zu verdrängen Vim



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„VORSICHT! DIE SACHE HAT EINEN HAKEN!

175
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
" ' Vorsicht! Die Sache hat einen Haken!' "
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Lang, Ernst Maria
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 15, S. 175.
 
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