Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Sybel, Ludwig von
Ueber Schliemann's Troja — Marburg, 1875

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.983#0003
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Was ist poetische Wahrheit, wie soll Dichtung geglaubt
werden?

Erzählen Sie einem Kinde Mährchen, so glaubt es an die
Realität jedes kleinsten Zuges. Und lassen Sie bei wiederholter
Erzählung derselben Geschichte Abweichung zu auch nur in
den geringfügigsten Nebenumständen, so protestirt es gegen
diese vermeintliche Abweichung von der Wahrheit. Es kennt
nur Eine Wahrheit; es hat die Unterscheidung weder zwischen
poetischer und wissenschaftlicher Wahrheit noch zwischen dich-
terischer und wissenschaftlicher Auffassung vollzogen.

Der Vater Heinrich Schliemann's erzählte seinem
Knaben, seit er sprechen konnte, die Thaten der homerischen
Helden und entzündete in der Kindesseele einen unauslösch-
lichen Enthusiasmus für die zauberische Welt des griechischen
Epos. Zehnjährig verfasste der Knabe in schlechtem Latein
einen Abriss der Hauptereignisse des trojanischen Krieges und
der Abenteuer des Odysseus und Agamemnon's. Freilich als
er nachher sein mecklenburgisches Heimathsdorf verliess, um zu-
nächst als Lehrling bei dem Krämer eines benachbarten Städt-
chens einzutreten und fünf Jahre lang Butter und Häring zu
verkaufen, da musste seine romantische Sehnsucht nach Griechen-
land schlummern. Nur einmal ward sie geweckt, als ein an-
getrunkener Maurerjunge in den Laden kam, ein verkommener
Gymnasiast, der ein Hundert Verse des griechischen Homer im
Kopf behalten hatte und für ein paar Schnäpse sie dem Laden-
jungen wiederholen musste, der um so tiefer gerührt ward,

v. Sy bei, ScMiemanrfs Troja. " i
 
Annotationen