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Thieme, Paul
Bhāṣya zu vārttika 5 zu Pāṇini 1.1.9 und seine einheimischen Erklärer: ein Beitrag zur Geschichte und Würdigung der indischen grammatischen Scholastik — Berlin, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.39854#0021
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Bhasya zu varttika 5 zu Pänini 1. 1. 9 und seine einheimischen Erklärer. 183

Die einheimischen Erklärer.
Bevor wir uns dazu wenden, einen kurzen Blick auf die Re-
flexe der behandelten Bhäsyastelle in einigen Hauptwerken der
panineischen Literatur zu werfen, möchte ich mich über zwei prin-
zipielle Punkte aussprechen, die im einzelnen an der zur Erörte-
rung stehenden Diskussion zu demonstrieren die eigentliche Absicht
dieses Aufsatzes ist. Es handelt sich dabei um nichts Neues, aber
um etwas das, wie mich bediinkt, in der Praxis oft vergessen oder
vernachlässigt wird, und das auch schon deshalb von Wichtigkeit
ist, weil es an eine Frage rührt, die uns in ähnlicher Weise bei
der Erklärung jedes alten indischen Textes entgegen tritt: die
Frage einer kritischen und gerechten Würdigung der einheimischen
‘Tradition’.
Erstlich: Was wir die grammatische ‘Tradition’ nennen, ist
offenbar nicht eine Tradition in dem Sinne, daß in ihr einfach alte,
auf Patanjali selbst zurückgehende Erklärungen zugänglich werden,
die durch sisyaparainparä sich mündlich fortgeerbt hätten. Eine
strikte ‘Tradition’ besitzen wir in der Überlieferung des Yedatexts
seit der Zeit der Redaktoren: Man kann Lieder und sogar Bücher
auswendig lernen, und der heilige Text konnte sich völlig unver-
sehrt erhalten ohne andere Hilfe als den mündlichen Enterricht
und die übliche chorusmäßige Rezitation, die als korrigierender
Faktor nicht unterschätzt werden darf. Gedanken und Inhalte
jedoch kann man nicht mechanisch überliefern, wie die traurige
Verfassung der einheimischen Vedainterpretation zeigt1).
‘Traditionell’ in der einheimischen Grammatiker-Literatur ist
lediglich die Methode: Das überaus ernste Bemühen, die Lehren
des grammatischen Dreigestirns in der richtigen Weise zu inter-
pretieren, das heißt, durch Anwendung der im Mahäbhäsya selbst
entwickelten Prinzipien die korrekten Sprachformen durch korrekt
formulierte Regeln zu erhalten. Die außerordentlichen Erfolge
der einheimischen Auslegung sind zu danken einmal dem Scharf-
sinn und der Intelligenz der ‘Pandits’, zum andern der Bescheiden-
heit und Geduld, mit der man innerhalb dieser hochentwickelten
Gelehrtenkaste sich um eine wirklich gründliche Kenntnis der
klassischen Texte vor allem andern bemüht. Hnsere ‘kritisch-

1) Daß der durchschnittliche Rgvedin, der den gesamten Text in makelloser
Reinheit zu rezitieren versteht, nicht im Stande ist, über ein Lied etwas zu sagen,
das nicht in der Anukramani steht, kann ich aus persönlicher Erfahrung bezeugen.
Man kann von ihm nicht einmal erwarten, daß er mit Säyana vertraut ist, oder
daß er sich in Sanskrit auszudrücken versteht.
 
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