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Fünftes Kapitel.

Gebärden.

er altchristliche, in den Katakomben entstandene Bilderkreis der römischen Kunst war
in einem steten Wachstum begriffen. Schon in der vornehmlich dem 4. und 5. Jahr-
hundert angehörigen Sarkophagskulptur begegnen wir Szenen, die in der zömeterialen Malerei
fehlen; andere, die in dieser ein Unikum sind, werden von den Steinmetzen häufiger ab-
gebildet; andere endlich finden sich nur in der monumentalen Kunst. Mit der Einführung
neuer Szenen tauchen auch neue, dem praktischen Leben entlehnte Gebärden auf, welche
in der profanen Kunst schon lange existierten, in den Katakomben aber nicht verwendet
wurden, weil sich den Malern dazu keine Gelegenheit bot. Darunter gibt es solche, die
zu denen zählen, welche das „byzantinische Kolorit ausmachen" sollen, also ein besonderes
Interesse beanspruchen. Wie sich zeigen wird, tragen sie im Gegenteil nicht wenig zu der
richtigen Beurteilung der führenden Rolle der altchristlichen Monumentalkunst Roms bei.
Wir werden indes nur jene Gesten, die öfters wiederkehren, hier behandeln; die selteneren
wollen wir für die Beschreibung der Monumente, auf welchen sie sich bieten, aufsparen.

§ 1. Gestus des Verhüllens der Hände.

Einer der am häufigsten vorkommenden Gesten ist der des Verhüllens der Hände. Er
reicht in das höchste Altertum hinauf. Bei den Persern war er unter Umständen mit An-
drohung der Todesstrafe geboten: jeder, der sich dem König näherte, um ihn zu begrüßen
oder etwas von ihm zu erbitten, mußte die Hände in den Ärmeln verstecken1. Alexander d. Gr.
führte den Brauch bei den Griechen ein, und von diesen erhielten ihn die Römer, bei denen
er zur allgemeinen Anwendung gelangte. Man verhüllte sich aus Ehrfurcht vor der Gott-
heit die Hände beim Gebet, sei es mit einem Zipfel des Mantels oder mit einem eigenen
Tuch2. Aus demselben Grunde verordnete Aurelian, die sibyllinischen Bücher mit verhüllten
Händen anzufassen3. Diesen Gestus erforderte schließlich auch die schutzflehende Bitte4.
Wir sehen ihn, um ein Beispiel aus der Kunst zu zitieren, auf der Säule des Mark Aurel,
auf welcher Gesandte und zwar solche von nordischen, nicht orientalischen Völkern ab-
gebildet sind, welche mit ehrfurchtsvoll verhüllten Händen dem auf dem Tribunal stehenden
Kaiser sich nähern5. Der Kaiser galt nämlich schon damals für ein höheres Wesen; er hieß

1 Xenoph., Hellen. 2, 1, 8; Cyrop.8, 3, 10. Vgl. (Pio Franchi ' Hist. aug.XXVl, 19, 6: „Velatis manibus libros (Sibyllinos)
de' Cavalieri), // rotulo di Giosue 32. evolvite."

2 Plautus, Amphitr. 1, 1, 101, ed.Teub. I, 13: „Velatis mani- " Ovid., Metam. 11, 279.
bus orant." 5 Petersen, Markus-Säule 56.
 
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