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VON DER EMPFINDUNG DES SCHÖNEN

VON DER FÄHIGKEIT DER EMPFINDUNG
DES SCHÖNEN IN DER KUNST

DIE Fähigkeit, das Schöne in der Kunst zu emp-
finden, ist ein Begriff, welcher zugleich die Per-
son und Sache, das Enthaltende und das Enthaltene
in sich faßt, welches ich aber in eins schließe, so
daß ich hier vornehmlich auf das erstere mein Ab-
sehen richte und vorläufig bemerke, daß das Schöne
von weiterem Umfange als die Schönheit ist. Diese
geht eigentlich die Bildung an und ist die höchste
Absicht der Kunst, jenes erstreckt sich auf alles, was
gedacht, entworfen und ausgearbeitet wird.
Es ist mit dieser Fähigkeit wie mit dem gemeinen
gesunden Verstände. Ein jeder glaubt ihn zu be-
sitzen, obwohl er seltener als der Witz ist. Weil
man Augen hat, wie ein anderer, so will man so
gut als ein anderer sehen können. So wie sich
selbst nicht leicht ein Mädchen für garstig hält, ver-
langt ein jeder, das Schöne zu kennen. Es ist nichts
empfindlicher, als jemandem den guten Geschmack,
welcher in einem anderen Worte eben diese Fähig-
keit bedeutet, absprechen wollen, man bekennt sich
selbst eher mangelhaft in allen Arten von Kennt-
nissen, als daß man den Vorwurf höre, zur Kenntnis
des Schönen unfähig zu sein. Die Unerfahrenheit in
dieser Kenntnis gesteht man zur Not zu, aber die
Fähigkeit zu derselben will man behaupten. Sie ist,
wie der poetische Geist, eine Gabe des Himmels,
bildet sich aber so wenig, wie dieser, von sich selbst,
 
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