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WINCKELMANNS KLEINE SCHRIFTEN

VON DER ALLEGORIE ÜBERHAUPT

DIE Allegorie ist, im weitläufigsten Sinne ge-
nommen, eine Andeutung der Begriffe durch
Bilder, und- also eine allgemeine Sprache, vornehm-
lich der Künstler, für welche ich schreibe. Denn da
die Kunst, und vornehmlich die Malerei, eine stumme
Dichtkunst ist, wie Simonides sagt, so soll sie erdichtete
Bilder haben, das ist, sie soll die Gedanken in Figuren
persönlich machen. Die eigentliche Bedeutung des
Wortes Allegorie, das die älteren Griechen noch nicht
kannten, ist, etwas sagen, was von dem, was man an-
zeigen will, verschieden ist, das ist, anderswohin zielen,
als wohin der Ausdruck zu gehen scheint, auf eben
die Art, wie wenn ein Vers eines alten Dichters in
ganz verschiedenem Sinne angewendet wird. In fol-
genden Zeiten aber ist der Gebrauch des Wortes
Allegorie erweitert, und man begreift unter Allegorie
alles, was durch Bilder und Zeichen angedeutet und
gemalt wird. In solchem Sinne hat Heraclides Pon-
ticus in der Aufschrift seiner Abhandlung von den
Allegorien des Homer dieses Wort genommen, und
dieser Bedeutung zufolge ist die Abhandlung einer
Allegorie eben das, was andere Ikonologie nennen.
Ein jedes allegorische Zeichen und Bild soll die
unterscheidenden Eigenschaften der bedeuteten Sache
in sich enthalten, und je einfacher es ist, desto be-
greiflicherwird es, so wie ein einfaches Vergrößerungs-
glas deutlicher als ein zusammengesetztes die Sachen
vorstellt. Die Allegorie soll folglich durch sich selbst

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