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WINCKELMANNS KLEINE SCHRIFTEN

GEDANKEN VOM MÜNDLICHEN VOR-
TRAG DER NEUEREN ALLGEMEINEN
GESCHICHTE

DIEJENIGE Wahrheit, die ein alter griechischer
Weltweiser den Gelehrten überhaupt vorhält,
hat sich insbesondere jemand, der die Geschichte
mündlich vorzutragen unternimmt, vorzuhalten:
„Nicht diejenigen," sagt der Weise, „die am meisten
essen und ihren Körper am meisten in Bewegung
setzen, nicht die sind die gesündesten, sondern die
dem Körper, was derselbe fordert, geben: ebenso
werden nicht diejenigen, welche viel, sondern welche
nützliche Sachen lesen, gelehrt."
Die Wahl des Nützlichen aber ist schwer, ja fast
schwerer als die Wahl des Artigen und Schönen.
Es gehört unter die artigen Nachrichten, zu wissen,
daß Kaiser Karl V., da er im Jahr 1548 mit seinen
Völkern vor Naumburg gestanden, seinen sammetnen
Mantel, weil es angefangen zu regnen, weggegeben,
und sich einen Mantel von Filz, um jenen nicht zu
verderben, reichen lassen.

Es ist eine schöne Anekdote, wird man sagen, wenn
man findet, daß Erzherzog Ferdinand gedachtem
Kaiser, seinem Bruder, bei einer Zusammenkunft in
Tirol das Waschbecken [hat] vorhalten müssen.
Man hat nicht unrecht: die erste Nachricht ist einer
von den Zügen, die bei Entwerfung des Charakters
dieses Kaisers ein Licht geben; die zweite Nachricht

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