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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 4.1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.9080#0085
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Nr. 48.

Erscheint monatlich einmal. Preis pro Nummer 10 Pfennig.

1887.

MMM hmmW-sMsAs pniintsötatt

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. Sankt Stöcker ist zum Schutzheiligen der Berliner In-
nungen gewählt. Der neue Luther, halb Pfaffe, halb Soldat, wird
demnächst einen Knüppelzug organistren gegen alle widerbaarigcn Lebr-
jungen, Gesellen. Sozialdemokraten und Juden. Die Juden werden
gehängt, die Sozialdemokraten gebraten und die widerspenstigen Ge-
sellen und Lehrlinge erhalten einen Normalarbeitstag von 20 Stunden.
— Als Bundeslied ist das bekannte: „Schmeißt ihn 'raus den Juden
Jtzig". gewählt.

Paris. Frankreich hat wiederum seinen 2. Dezember gehabt;
diesmal wurde nicht gemetzelt, sondern die Republik und der Friede
gerettet. — Expräsidcnt Grevy sitzt bei seinem Schwiegersohn und putzt
20-Francs-Stücke. — Boulanger flickt seine zerfetzte Ehre und die
Limousin schreibt ihre Memoiren, die demnächst im Verlag der „Nordd.
Allg. Zig." in Berlin erscheinen werden.

Rom. Der Stuhl des heiligen Vaters ist während des Kaffee-
trinkens zusammengebrocheu. EL stellt sich heraus, daß er vom Je-
suitenwurm total zernagt war.

Weihnachten.

ie Fenster stammen auf im Kerzenfchein;

Den Daum umstehen scherzend Groß und Klein
Und mustern freudig ihrer Lieden Gaden.

Wer ist fo arm, datz Niemand ihn beschenkt,

Wer ist fo arm, datz Niemand feiner denkt,

Als war' er längst gestorden und begraben?

Nnd dennoch scheint mir Altes hald und fchaal,

— Zn niedrer Hütte, wie im goldnen Saal
Mach' ich im Geiste durch die Stadt die Runde.

Die rechte Gade fehlt in manchem Haus —

Wie gerne theilte überall ich aus
Mit vollen Händen ste in dieser Stunde!

Zn jeden Winkel, fei er noch fo fern,

Zn jede Hütte dräng' ich nur ;u gern,

Nnd keines Dürftigen würd' ich vergessen.

Nnd Schätze brächt' ich mit gefchäft'ger Hand,

Des höchsten Glückes sichres Nnterpfand —

Nnd die der Rost nicht und die Motten fressen.

Zch brächte euch, die ihr ergebungsvoll
Nnd schweigend duldet, den gerechten Groll
Nnd lehrte euch, ;u zürnen, statt ;u beten.

Zch tränkte euch aus meines Haffes Dorn,

Denn heilig war und heilig ist der Zorn!

Nnd wer nicht Haffen kann, der wird zertreten.

Gesunder Zorn ist Alles was ihr braucht —

Nicht jene trübe Flamme, die da raucht,

Die reine Flamme soll im Herren brennen.

Nnd wärst Lu selber der geringste Knecht —

Der Hatz für Alles, was gemein und schlecht,

Giebt dir das Recht, dich Herr und frei ;u nennen.

Zn dieser Zeit, wo man sich duckt und schmiegt
Nnd nnterthänig auf dem Danche liegt
Nnd Dlumenfesfeln sieht in seinen Ketten,

Zn dieser Zeit, die dumpf verehrungrtoll,

Kann nur der Hatz, der schöue Zorn und Groll
Nor dem Versumpfen und Nerfaulen retten.

Zch brächte euch, die ihr zu Roth und Gram
Kaltherzig lächelt, einen Rest von Scham —

Cr ist gesund, obwohl ein bittrer Dissen.

Wohl ist es lange regungslos und stumm,

Doch auf die Dauer kommt man nicht herum
Nm dies fatale, strafende Gewissen.

Scham und Gewissen — häufig sind sie nie,

Nnd dennoch geht es nimmer ohne sie,

Nnd die der beiden achsehuckend spotten,

Cs sind die Spieler, die „va banquel“ gesagt,

Die Leib und Leben auf ein Dlatt gewagt,

Cs sind die längst und rettungslos Dankrotten.

Zn dieser Zeit, die fiebernd sich zerreibt
Nnd einem Abgrund rasch entgegentreibt,

Zn dem die bunten Götzenbilder enden,

Zn dieser Zeit, die nimmer Zeit sich nahm,

Kann das Gewissen nur, kann nur die Scham
— Vielleicht, wer weitz es? — das Nerhängnitz wenden.

Datz man zurück vor solchen Gaben schreckt,

Nnd sich verdrietzlich und gereizt versteckt —

Mich wundert's nicht. Wozu sich irritiren?

Cin Festtag ift's — da lobt man sich die Ruh;

Man schlägt die Thür mir vor der Rasezu
Nnd lätzt den Narren drautzen fteh'n und frieren.

Jacob.
 
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