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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 5.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.9076#0023
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Nr. 51

Erscheint monatlich einmal. Preis pro Nummer 10 Pfennig.


Blitzdrahtmcldungen.

Berlin. Stvcker wird wegen seiner Anti Heiue-Rede bereits bei
Lebzeiten fossil. Die studirende Jugend will ihm ein Denkmal er-
richten mit der Inschrift: Dieser Ort soll nicht verunreinigt werden.

— DenKartellbriidern ist geholfen. Sie haben in der letzten RetchS-
tagssession soviel Beute eingeheimst, daß sie nicht mehr wußten, wo
sie dieselbe unterbringen sollten; jetzt ist ihnen zu diesem Zwecke in
Greiffenberg-Kammin eine große Niederlage bereitet worden.

St. Petersburg. Die „Nordd. Allg. Zig " empfiehlt uns als

alleinige Rettung entweder die Revolution oder die Konstitution. Wir
sind für die Revolution, — die Konstitution wird dann von selbst
kommen. Vorläufig aber sind wir Pleite.

Aus Bulgarien. Die Pforte hat d,m Koburger angedeutet, daß
er zur Ausübung des Negiernngsgewerbes keinen Befätiigungsnach-
weis besitzt. Er dürfte in Folge dieses Mangels sich demnächst vor
der Pforte befinden.

Kamerun. König Malietoa ist soeben eingetroffen. Er trank
Brüderschaft mit King Bell und besiegelte das Freundschastsbündniß
mit einer Partie Schafskopf.

Hstern.

Von Wudotf Lavant.


s macht uns jede Stunde

freier

Von uns'res Giuderglaubens Nest;
Wir knüpfen uus're Osterfeier
Nicht länger an ein Lirchenfest,
Und daß es Lenz aufs Neue werde,
Wir fühlten es an fenem Tag,
Wo auf der eisbefreiten Erde
Der erste goldne Schimmer lag.

Noch war es kahl und still im Walde
Und keiner Glume feiner Duft
Hat an der herbstlich braunen Halde
Gewürzt die kosend weiche Luft,

Doch wenn nach sanftem, warmen Regen
Der Tag in grauen Schleiern schied,
Wie klang urplötzlich uns entgegen
Der Amsel erstes zages Lied!

M es so thöricht, wenn ich wähne,
Von Rührung wunderlich bedrängt,
Daß dann der Freude klare Thräue
Au seder Gnospe zitternd hängt,
Daß dann aus langem Schlaf das Leben,
Das sonnendnrst'ge, aufersteht,
Daß dann ein tiefgewalt'ges Geben
Durch unsrer Crde Vesten geht?

Es ist kein trüglich-dunkles Ahnen,
Kein Hoffen, das vielleicht verstiegt;
Ich weiß, daß sich im Wind die Fahnen
Des Lenzes bläh'n und daß er siegt,
Daß er, ein junger Gott der Rache,
Die Tyrannei des Winters bricht,
Daß dieser matt für eine Sache,
Die rettungslos verloren, ficht.

Ob mir so tief ins Herz gegangen,
Gb höher meine Freude flog,

Wenn tausend Lerchen jubelnd sangen
Ob jnnger, grüner Saal Gewog,

Wenn Kaum n. Kusch beschneit mi! Glüthen
Und in der Frühlingssonne Licht
Die ersten Rosen purpurn glühten —
Ich frage mich's und weiß es nicht.

So nimmt das Herz, oas räthselvolle.
Die tiefste Wonne sich voraus
Im Stürzen einer ersten Scholle
Zum Grunde für ein stattlich Haus,
Im pflanzen einer jungen Rebe,
Die lange zögert, lange träumt,

GH' sie — dafern ich es erlebe —
Als flüssig Gold im Becher schäumt.

Ob so auch wir, vom starren, blinden
Geschick zu stetem Kampf geweiht,
Ihn reiner, tiefer nicht empfinden,
Den mächt'gen Hauch der neuen Zeit.

Als sie, für welche Ernten reifen,
Und die sich müh'n in ihrem Licht,
Das einstige Dunkel zu begreifen —
Ich frage mich's und weiß es nicht.
 
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