Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1889.

Preis pro Nummer 10 Pfennig.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. An der Ausrüstung der deutschen Marine wird fieberhaft
gearbeitet. Zeitungsmeldungen zufolge steht eine Flottendemon-
stration gegen die Schweiz bevor.

— Die politische Kurszettelprognose für den Monat Juli lautet:
Russen: faul; Italiener: steigend; Franzosen . Samo an er und
Schweizer: werden nicht gehandelt, weil wild; Lockspitzel gesucht;
Geld wie Heu, nur nicht so lang.

Wien. Der wirthschaftliche Aufschwung Bosniens und der Herzo-
gewina ist dem Staatsschatz sehr zu statten gekommen. Die Gesammt-

Uberschüsse betrugen genau einen Papiergulden und dieser war dazu
noch ein falscher.

Dresden. Statt der Wolkenbrüche hat zur Abwechslung ein
Ordensausbruch stattgefunden. Menschenverluste sind dabei bis jetzt
nicht vorgekommen.

Schweiz. Die Schweizer wollen lieber sterben, als ihr Hausrecht
aufgeben. In Deutschland stirbt man an dieser Krankheit nicht, weil
das Hausrecht bereits im Besitz der Polizei ist.

Bulgarien. Hier ist Alles ruhig bis auf Ferdinand. Er ist
darüber beunruhigt, daß der Zar die dummen Serben ihm vorgezogen hat.

Dreihundert Jahre sollst du rückwärts sehen -
Dreihundert Jahre — eine Ewigkeit
Für uns, die wir auf ihren Schultern stehen,
Und dennoch — eine kurze Spanne Zeit!
Mit andern Maßen mißt die Weltgeschichte,
Und and're Räume überfliegt ihr Blick;

Sie schreibt die größten, packendsten Gedichte
Und ein Jahrhundert wird zum Augenblick.

Sie schreibt Gedichte wunderbaren Klanges —
Aus einem Gusse sind so Stoff wie Ton;
Sie schreitet vorwärts kriegerischen Ganges,
Durchtränkt von Pathos, Ironie nild Hohn.
Das ist kein ängstlich-ärmlich Verseleimen,
Da stört kein Flickwort ungeschickt und zag,
Sie ist so reich an tönend-vollen Reimen
Und jeder Vers trifft wie ein Hammerschlag.

Dreihundert Jahre sind's, da band der Henker
An einen hohen Scheiterhaufens Pfahl
Mit rohen Händen einen muth'gen Denker,
Der keck vom Himmel ew'ges Feuer stahl.
Sein Wort war lauter als der Mönche Lieder,
Mit denen man das Heil ersingen will —
Da zuckt' ein Bannstrahl ungeduldig nieder
Vom Stuhle Petri — und der Mann ward still.

Giordano Bruno.

(Siehe hierzu das Doppelbild S. 612—813.)

Zu Asche brannten auf erhöhter Bühne
Sie sein Gebein mit festlich-düst'rer Pracht,
Nachdem so manches lange Jahr der Kühne
I In Kerkermauern ungebeugt verbracht.
Verbrannt ward Alles was er je geschrieben,
Der Bücher Asche trug der Luftzug fort,
Und keine Spur des Frevlers war geblieben
Dem heil'gen Vater blieb das letzte Wort.

Da jauchzten Alle, die gehässig munkeln,

: Zeigt sich von Ferne nur ein Strahl von Licht;
Es zischte froh die Viper, die ini Dunkeln
Den Denker meuchlings in die Ferse sticht.
Sie Huben an, den weisen Greis zu loben
AufPetri Stuhl, der nimmer schwankt und irrt -
War doch durch ihn „besorgt und aufgehoben",
Der die Gewissen freventlich verwirrt.

Und dumpfer Schreck sank lähmend auf dieHerzen,
Die freien Sinnes jeden Druck verdammt,
Und eig'nen Denkens, eig'nen Forschens Kerzen
An seiner Leuchte wohlgemuth entflammt.
Man hörte nur der Hymnen schläfrig Summen,
Das früh und spät erklang aus hohem Dom —
Sonst war ein tiefes, ängstliches Verstummen
Für lange Zeit im heil'gen, ew'gen Rom.

Mit dem Pantoffel war er ansgetreten,

Der böse Funke, eines Schwärmers Traum —
Es war in Rom für's Glauben nur und Beten,
Es war für's Denken nicht der kleinste Raum.
Und doch und doch! O weisester der Väter,
Du mußtest weiter in die Ferne sehn!

Du sähest dann dreihundert Jahre später
Ein Marmorbild aus jenem Richtplatz stehn.

Und dieses Marmorbild, es trägt die Züge
Des kühnen Mönchs, den Ketzer ihr genannt,
Den ihr als Sohn des Vaters aller Lüge
Mit düst'rem Pomp zu Asche einst gebrannt;
Und um das Denkmal eures Opfers schaaren
Sich Tausende mit bunter Banner Pracht
lind ehren ihn, den vor dreihundert Jahren
Sie preisgegeben eurer finst'ren Macht.

Wohl steht er noch, von dunkler Zeit zu zeugen,
Der gold'ne Stuhl der schlimmsten Despotie —
Doch Roma's Bürger, ihre Jugend beugen
Vor dem Verbrannten huldigend das Knie;
Und ob da droben in geweihter Halle,

Wo man vordem das „Anathema!" sprach,
Ein müder Greis die Fäuste zitternd balle —
In unfern Tagen fragt man nicht danach!

Dreihundert Jahre, für die Weltgeschichte
Sind sie nicht mehr als eine Spanne Zeit —
Den Stoff zum herb-pathetischsten Gedichte
Fand sie in ihr mit Dichter-Sinnigkeit.

Ich möchte wohl durch einen Traum erfahren.
Der mit Prophetenaugen mich beschenkt,

Was die Geschichte in dreihundert Jahren
Von unfern Päpsten und — Verbrannten denkt!

Zu beziehen durch L. Langer, Buchhandlung in Chemnitz
 
Annotationen