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Nr. 130.

Preis pro Nummer 10 Pf.

1891.

Blitzdrahtmeldunsten.

Berlin. Hier wird eine Schutztruppe gebilder, mit welcher man in das
Innere des Hinterlandes von Brandenburg einzurücken gedenkt, um den
Stamm der Agrarier einzufangen, der fortgesetzt den Deutschen das Brot
raubt. Die Häuptlinge Kanitz und Mirbach sind in die Wälder gefluchtet.

— Glaubwürdigen Nachrichten zufolge wurden in die Luxemburgische
Miliz zwei neue Rekruten eingereiht. Diese bedenklichen Rüst-
ungen an unserer Nordwestgrenze rechtfertigen genügend die für nächsten
Herbst bevorstehenden Anträge auf Vermehrung des deutschen Militärs.

Sachsen. Ein Nriegerverein hat ein Mitglied als unpatriotisch
ausgeschlossen, weil es eine Gurke gegessen hatte, die in einem sozial-
demokratischen Wahlkreise gewachsen war.

Schweiz. Die politische Polizei zur Beobachtung mißliebiger Fremden
soll aufgehoben und das dadurch ersparte Geld zur Beobachtung ein-
heimischer gichtbrüchiger Eisenbahnen verwandt werden.

Rußland. Einige russische Armeelieferanten haben be-
schlossen, zu ihrer Ausbildung im Mogeln einige Monate nach West-
phalen zu gehen.

Erscheint alle 14 Tage einmal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure, sowie durch die Post (eingetragen unter Nr. 6491),
in Berlin auch durch jeden Zeitungsspediteur und Zeitungsverkäufer.

MMendm-Unechtschaft.

MM

Än starker Faust den Schlägel und das Eisen,

V Das war bisher des Bergmanns stolzes Wappen;
Als glücklich hörte oft das Loos man preisen,

Des, der stch zählte zu den Bergwerksknappen;

Don altersher gesucht und angesehen,

War stets der Dergmannsstand rin frei Gefchtecht,

Er durfte stark auf seinem Recht bestehen,

Nie war ein Bergmann ein leibeigener Knecht.

Es bäumt das Her; stch auf in tiefem Grolle,
Sieht man, wie Taufende jetzt mutzten scheiden
Non ihrem Heim, der längst gewohnten Scholle,
Und ohne Obdach sollen Hunger teiden!

Datz an ihr Recht ste glaubten war ihr Fehler,
Doch mit dem Recht ist seltsam es bestellt:

Datz nur die Dividende nicht wird schmäler,

Nur das regiert als Recht jetzt noch die Welt!

So war es einst. Dann kamen andre leiten,

Die Zeit der Aktien und der Dividenden,

Die wie die Pest durch alle Lande schreiten
Der Arbeitshand den Segenzu entwenden;

Sie hat dem Dergmannsstande längst genommen,
Was ihm erschien stets als fein gutes Recht,

So ist der Dergmann denn bergab gekommen
Rnd heute nur noch Dividendenknecht!

Don Direktoren und von Inspektoren
Wird abgekehrt ein Jeder nach Belieben;

Wer widerspricht, der ist gewiß verloren,

Er wird ins nackte Ctend stracks getrieben;

Wohin er kommt und mit „Glück auf" er grüßte,
Rnd um Beschäftigung und Arbeit steht,

Wird er verhöhnt, weit auf der schwarten Liste
Sei allen lechen längst sein Name steht.

Rnd die zur Grube ferner fahren dürfen,

Den bösen Wettern oftmals preisgegeben,

Im tiefen Schacht zu hauen und zu schürfen -
Nm zu verdienen stch das nackte Leben, -
An ihrem Stolze nagt's mit bittern Schmerzen
Rnd wie das Eisen dröhnt bei jedem Schlag,

So widerhallt es in den tapfern Herren:

Einst wird erscheinen der Erlösungstag!

Gewiß er kommt einst auch dem Dergmannsstande,
Gewiß er kommt den braven Dergmannsknappen,
Der schöne Tag, wo frei im deutschen Lande
Ihr Schlägel mit dem Eisen prangt im Wappen;
Dann wird die Dividenden-Knechtschaft weichen, -
Doch wird uns diese Dotschaft dann nur kund,

Wenn alle, die da schaffen, Iren stch reichen
Die Arbeitshand zum großen Bruderbund!

J. A.
 
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