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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0140
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7038

«£> Maiseier, w

Der holde Frühling schritt in; Land, ei» ljeld, der ganzZung-Siegfried glich;
Doch rauh bot ihm -er Winter Trotz und trat zum Kampf, bevor er wich.
Noch einmal nahm er alle Kraft zusammen znm Vernichtungsschlag!
vor seinem Atem, eisig kalt, erblich da; zarte Laub im Hag;

Tr schüttelte auf Zlur und Zeld die Lockenmähne, grau und greis:

Da welkten jäh die Blumen ab, die Saat gefror in weitem Kret;;

Schnee fiel und Hagel aus; Gefild und schmolz zu Not, ein schmutz'ger Brei;
Nun aber grünt der Anger doch! Denn sonnenleuchtend kam der Mai.

Dem Mai kann keiner widerstehn! Tr ist de; Frühling; stärkster Sohn;
Und sank -er Vater im Gefecht: er steigt al; Sieger aus den Thron.

Zu Zützen ihm, gebrochen, liegt de; grimmen Winter; starre Pracht;
DiebangeMenschheitjauchztbeglückt.dennnunwardLichtnach langer Nacht.
Die Nnospe schwillt; e; quillt der Saft in Halm nnd Zweigen wieder frisch;
ZUr Spatz und Star, verhungert schier, deckt sich auf; neu der Speisetisch:
Die Biene summt nnd surrt im wind, der sanft um Blumenkelche weht;
Zroh streckt sogar die Zichte sich, die schwank auf kahlem Zeisen steht.

Ein echter Uönig ist der Mai! Doch nicht au; irdischem Geschlecht:

Er kennt nicht Niedrig oder ljoch, und ihm geht Macht nicht über Recht.
Mit reinen Händen, allen gleich, teilt redlich er die Gaben au;.

Und keiner scheidet »nbeschenkt und ohne Trost au; seinem Haus.

Und fei -ein Unglück noch so groh, und sei dein Nummer noch so schwer:
vor seinem Lächeln, sonnig mild, zerstiebt der Sorgen schwarzes Heer.
Lei; pocht an jedes Herz sein Ruf, da; sich verzehrt in stillem Leid:
„Kommt her zu mir, die ihr verzagt, mühselig und beladen seid!"

vor allem du, geknechtet Volk, da; unterm Druck der Arbeit stöhnt,

Da; in Zabriken dumpf sich Plagt, wo rastlos die Maschine dröhnt,

Da; tief im Schatz der Erde gräbt, da; nimmer ruht und rüstig schafft,
Da; für den Reichen Schätze häuft und für sich selber nicht; errafft:

G heb' dich auf und schöpfe Mut und bade dir die Seele frei
vom Staub de; Alltag; und der Zron; denn dich vor allem ruft der Mai!
Er ruft und lockt, bi; du ihn hörst, bi; d» entfliehst dem harten Zoch
Und mit der Lerche jubilierst: „wie schön ist'; in der Zreiheit doch!"

Sin knapper Tag ist dir vergönnt: -och traure nicht, da; Haupt verhüllt!

Die Stunde schlägt, die mehr gewährt, die deinen Sehnsuchtstranm erfüllt.

Zwar droht der Zeind, der dich bedrängt, dem Winter gleich mit wildem Sinn;

Du aber weitzt: e; naht die Wahl; ein Wort — und feine Macht ist hin!

Gib dieses Wort, wie der Soldat die Losung gibt, von Ort zu Ort;

Die Stunde schlägt, die dich erlöst, wenn du gebrauchst da; rechte Wort!

Dann schallt der Zreiheit Glocke laut; denn au; der Urne engem Tor

Steigt, wie der Phönix au; der Glut, einst hell der Völkermai empor! Max Stempel.

Jakob Stern.

Jakob Stern, der am 4. April in Stuttgart nach langem
Leiden im Alter von 68 Jahren starb, wurde am 28. Mai
1843 als Rind armer (Eltern in Niederstetten im württember-
gischen Frankenlande geboren. Er konnte durch die Opfer-
freudigkeit seines Vaters studieren und wurde jüdischer Rab-
biner. Ms solcher amtierte er bis 1881. Seine wissenschaft-
lichen Studien hatten ihn schon vorher mit der kirchlichen
Orthodoxie in Konflikt gebracht, die in seiner Konfession ebenso
intolerant und fortschrittsfeindlich gesinnt war, wie sie es auch
in anderen Religionsgemeinschaften ist. Und so vollzog er nach
seinem Ausscheiden aus dem Amt den für sein späteres Leben
entscheidenden, durch eine langjährige innere Entwicklung vor-
bereiteten Schritt, indem er sich der Sozialdemokratie anschloß
und sein Missen und seine Feder in ihren Dienst stellte. Es
war ein mühsames, dornenvolles Leben, dem er sich aber
freudig und seiner innersten Überzeugung folgend zugewendet
hatte. Wirkte er in Stuttgart und Württemberg auch in der
persönlichen Agitation eifrig und erfolgreich mit, so erlangte
er weit über die Grenzen dieses Wirkungskreises hinaus große
Bedeutung durch seine schriftstellerischen Arbeiten, im besonde-
ren soweit sie auf philosophischem Gebiet lagen, das er meister-
lich beherrschte. Durch diese Arbeiten hat er sich in der sozia-
listischen Literatur einen dauernden Ehrenplatz gesichert. Auch
dem wahren Jacob war er lange Jahre ein treuer Mitarbeiter
und hat durch zahlreiche gedankentiefe und formgewandte Ge-
dichte die deutschen Proletarier zu erfreuen und zu erheben
verstanden. Die Erinnerung an ihn, der ein leuchtendes Vor-
bild idealer Gesinnung war, wird stets in Ehren gehalten
werden.

Der Tag der Schrecken.

And wieder kam der erste Mai,

Es leuchten Flur und Aue»,

And wieder packt das Bürgerherz
Ein todesbanges Grauen:

„Reich blüht das Feld, süß tönt der Äain
Von Vögleiu, die sich paaren —

Jedoch durch Feld und La in spaziert
Der Rote heut in Scharen!

„Die Sonne lacht am Limmelszelt
And Frohsinn herrscht auf Erden —

Ich aber kann trotz alledem
Run mal nicht heiter werden.

Auf allen Wegen lockt der Lenz —

Doch ängst'gen mich und kränken.

Wo ich auch bin, allüberall.

Politische Bedenken.

„Was alles heut der Amsturz plant

And hinter den Kulissen

Das rote Pack im Schilde führt.

Kann keine Seele wissen.

Drum wagt's der gute Bürger nicht.

Von Laus sich zu entfernen.

And fcharfe Munition verteilt
Man heut in den Kasernen.

„And jetzt — ein Summen tönt heraus!

Es naht, zu meinem Schrecke,

Ein unabsehbar langer Zug!

Grad biegt er um die Ecke!

Weh mir! Sie sind's! Es ist das Leer

Der Gott- und Leiinatlosen!-

Auguste, mach' die Laden zu

And bring' mir reine Losen!" Leopold.

Wer hat recht?

Als Paulchen gestern aus der Schule heimkam,
zog er ein so komisches Gesicht, daß der Vater gleich
sagte: „Na, Junge. . . du hast wohl wieder mal
etwas verkehrt gemacht, he?"

Paulchen meinte, er wisse gar nicht, warum der
Lehrer über seine Antwort plötzlich so wütend ge-
worden sei!

„Was hat er dich denn gefragt?" erkundigte sich
der Vater.

Paulchen berichtete: „Er hat uns stundenlang ans
der preußischen Geschichte nnd von den Hohenzolleru
erzählt. Und dann hat er ,nich znm Schluß gefragt,
ob ich ihm jetzt jagen könnte, wer Preußen nach
und nach so groß gemacht hätte."

„Na, und lvas hast du gcantivortet. . .?"

„Der Klappcrstorch!!" T.

Kasernenweisheiten.

Wer ein braver Soldat werden will, muß kolossal
aufpassen, und zwar in erster Linie auf sein eigenes
Maul!

Kriegst du eins auf die rechte Backe, so halte rasch
auch die linke hin; sonst tut es dir aus der rechten
nachher doppelt so weh!

Der Beschwerdeweg ist sehr verzwickt und kaum
zu empfehlen; es gibt nämlich kürzere Wege zu
„Vater Philipp" hin! „

In, allgemeinen ist der Kommiß ein großes Theater;
aber hüte dich, daß du nicht ans der Rolle fällst! T.

Schwerer Dienst.

„Was tun die Prinzen eigentlich bei Ihrem Negi-
mcnt, Herr Oberst?"

„Sic avancieren!"

Prinzip und Charakter.

von Jakob Stern.

Zwei Täter sollst du als die höchsten schätzen.

Nie sollst d» sie, nie latz sie dir verletzen:

Hoch halte dein politisches Prinzip,
verläugn' es niemals Gold und Gunst zulieb.

wahr'den Tharakter mannhaft: nicht von Massen,
von Großen nicht sollst du ihn beugen lassen.

Lebst du auch durstig, ungeehrt in Leiden:

Du bist doch reich und glücklich durch die beiden.
 
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