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7 Geschlechts- und altersspezifische Grab- und
Bestattungssitten der Samad-Periode

Die seit Beginn der 80er Jahre vorgenommenen Un-
tersuchungen am Skelettmaterial und den Grabbefun-
den der Samad-Kultur lassen erkennen, daß die Einzel-
bestattung in Hockerstellung üblich war1510. Diese
typische, geschlechtsspezifisch variierende Totenlage
wurde damals folgendermaßen beschrieben: „Die Män-
ner sind immer in rechtsseitiger Hockerlage bestattet
mit dem Kopf in östlicher Richtung und dem Blick in
nördlicher Richtung, die Frauen als linksseitige Hok-
ker mit dem Kopf ebenfalls im Osten, aber dem Blick
nach Süden"1511. Das Skelettmaterial stammte 1981 von
sechs Frauen, 16 Männern und acht Erwachsenen ohne
Geschlechtsbestimmung. Kinderskelette wurden nicht
identifiziert. Eine weitere, soziale bzw. wirtschaftliche
Differenzierung geschlechtsspezifischer Bestattungssit-
ten war durch die begrenzte Aussagefähigkeit des Mate-
rials zunächst nicht möglich. 1991 bestimmte M. Kunter
weitere Skelette und auch Knochenmaterial früherer
Grabungen im Feld1512.
Die geschlechts- bzw. altersspezifischen Unter-
schiede der Bestattungssitten von mehr als 145 Beiga-
ben führenden Bestattungen anthropologisch bestimm-
baren Skeletten in der Samad-Zeit werden in Tabelle
7.1 veranschaulicht1513. Zunächst wird eine erste, breit-
maschige Sortierung potentiell aussagefähiger Merk-
male nach den Geschlechts-/Altersgruppen vorgenom-
men: „erwachsene" Männer, „erwachsene" Frauen und
„Kinder" (zur Definition s. u.). Die Gräber bilden die
x-Achse und signifikante Bestattungsmerkmale die
y-Achse. Mit Männern assoziierte Merkmale befinden
sich oben in der Tabelle, solche, die mit Frauen assozi-
iert sind, unten. Durch Übertragung dieser Ergebnisse
auf ausgewählte Beigaben führende Gräber, in denen
sich keine Skelettreste erhalten haben (Tabelle 7.2), ge-
winnen wir 52 bestimmte Gräber und Bestattungen zu-
sätzlich für die Analyse, also 36 % mehr. Das heißt, daß
die Basis der chronologischen Analyse auf insgesamt
197 Individuen erweitert wird.
Wie auch Tabelle 7.3 verdeutlicht, ist die Beigabe
von Waffen in dieser Beziehung ein besonders rele-
vanter Aspekt1514 - Frauengräber enthalten nie Waf-
fen -, während links- oder rechtsseitige Hockerlage,
die Zahl der Beigaben und die Länge der Grabsohle
weniger spezifisch zu deuten sind. Gräber mit Kinder-
skeletten beider Geschlechter erscheinen in der Kon-
tingenztabelle 7.1 ebenfalls nach ihren Merkmalen sor-
tiert1515. Tabelle 7.4 zeigt die Hauptmerkmale, und
zwar absteigend nach dem Grad ihrer prozentual er-
rechneten Zugehörigkeit zu den Bestatteten männ-
lichen Geschlechtes geordnet. Wenngleich durch die

unabhängig gewonnenen anthropologischen Bestim-
mungen einige wenige Abweichungen vorkommen, wi-
dersprechen die Geschlechtsbestimmungen in der Re-
gel nicht diesen Ergebnissen. Eine streng deduktive,
systematische Klassifizierung der Gräber nach Alters-/
Geschlechtsmerkmalen ist kaum möglich wegen einer
beträchtlichen Zahl von Ausnahmen, die individuell
erläutert werden müssen.
Anthropologisch sind nach Alter und Geschlecht
die Skelette von 81 erwachsenen männlichen und 45
erwachsenen weiblichen Individuen in den Samad-Grä-
bern eindeutig bestimmbar, sowie 19 Individuen unter
15 Jahren, deren Geschlecht schwieriger festzulegen
ist. Hierzu zählen z. B. Knaben, die wie Erwachsene
bewaffnet sind und deswegen zu ihnen gezählt werden.
Tabelle 7.1 erfaßt in der Regel die Gräber von Erst-
bestatteten, für die diese Gräber vermutlich angelegt
wurden. Damit wird deutlich, daß Männer zahlenmäßig
bei weitem stärker vertreten sind als Frauen und Kinder.
Das Beigabenmuster der männlichen Kinder ist je nach
Alter schwächer in Art und Zahl der Beigaben ausge-
prägt als das der Männer.
Zum Vergleich der Anzahl der Grabbeigaben der
Männer und Frauen (Tabelle 7.4) sind die Merkmale der
anteilhaft geringeren Frauengräber mit einer Konstanten
(xl,54 in Spalte 4 in der Tabelle 7.4) zu multiplizieren,
um sie mit den häufigeren Männergräbern in Relation zu
bringen. Danach kann die Geschlechtsgebundenheit der
Merkmale prozentual errechnet und hierarchisch geord-
net werden, um die Geschlechts-/Altersdifferenzierung
der zwei vorangestellten Kontingenztabellen 7.1 und

1510 MAYSAR274; ders. 1984; M. Kunter 1981,189.
1511 M. Kunter 1981,198.
1512 Aus den Grabungen vom Anfang der 80er Jahre: Gr. S101113$,
S10111761, S101119cJ; S101125c?, S101132<?, S101116$,
S101128$, S1011292. &.S101115 (erw.) und S101120 (erw.):
Geschlecht nicht bestimmbar.
1513 Von insgesamt 190 Skeletten sind 156 aus Gräbern der Samad-
Zeit/Kultur. Unklare räumlich/stratigraphische Zuordnungen von
Beigaben zu den einzelnen Skeletten (z. B. Gr. M803, S2112)
werden nicht berücksichtigt. „Tendenz Mann" bzw. „Tendenz
Frau" gilt in der Tabelle jeweils als „Mann" und „Frau". „?" =
genaue Zuweisung zu einer Bestattung in einer Mehrfachenber
stattung unmöglich. Pro Grab wird die Beigabe von Perlen und
Pfeilspitzen, nicht aber deren absolute Zahl, zugrunde gelegt.
1514 Die Summen in der Tabelle weichen von denen der Tabelle 7.1
ab, da die Seitenlage einiger Skelette nicht bestimmt werden
konnte.
1515 Beim Sortieren der Merkmale in Tabelle 7.1 blieben die Merk-
male der Kinder zunächst unberücksichtigt, da sie das Bild verun-
klärt hätten. Sie wurden nachträglich in die Tabelle eingefügt.
 
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