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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0406

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400 BESPRECHUNGEN.______________

überhaupt nicht imstande ist. Diese Aufgabe überdenkend, stellt Utitz fest (indem
-er den Ausführungen Dessoirs folgt): Daß die reine Ästhetik, wie sie am kon-
sequentesten von Lipps vertreten wurde, gegenüber einer so großen Anzahl von Pro-
blemen der Kunst versage, liege daran, daß sie die Kunst als ein ästhetisches Ge-
bilde zu fassen suche. Für diese ästhetische Auffassung der Kunst sind alle über
das rein Ästhetische hinausgehenden Momente Beiwerk, ja Störungen des eigent-
lichen ästhetischen Wesens der Kunst. Demgegenüber vertritt Utitz die Anschau-
ung, daß es im Wesen des Kunstwerks liege, über das rein Ästhetische hinauszu-
führen. Das Kunstwerk sei etwas prinzipiell anderes als ein bloß auf das Ästhe-
tische hin geschaffenes Werk. Die ethischen, religiösen, nationalen usw. Werte des
Kunstwerks gehörten vielmehr mit zu seinen wesentlichen Bestandteilen. Diese
Anschauungen legt Utitz in ausführlichen, nach Meinung des Referenten überzeugen-
den Ausführungen dar.

Aber wenn auch das Ästhetische im Kunstwerk nur ein Moment unter anderen
ist, so bleibt die Tatsache dennoch bestehen, daß viele Jahrzehnte das Kunstwerk W
engste Beziehung zu dem Ästhetischen gesetzt haben, so daß doch eine irgendwie
geartete engere Beziehung zwischen dem Ästhetischen und dem Künstlerischen
bestehen muß als etwa zwischen dem Ethischen und dem Künstlerischen. Di
Begründung, die Utitz hierfür gibt, überzeugt nicht sehr, vor allem deswegen nicMi
weil seine Stellung zum Problem des Ästhetischen im Lauf der Jahre eine Wand-
lung durchgemacht hat, sodaß zwischen dem ersten und dem zweiten Band ein
Diskrepanz entstanden ist. Im ersten Band wird das Ästhetische rein in das Er'
leben hineingeschoben. Das Ästhetische wird von ihm charakterisiert als »ein
gefühlsmäßiges Erfassen wertvoller Erscheinungen« (195) und demgemäß beruh
auch die Verwandtschaft zwischen Künstlerischem und Ästhetischem für ihn auf de'
Art der Einstellung, auf dem gleichartigen »interesselosen Wohlgefallen«. I"1
zweiten Band dagegen ist das Ästhetische nicht mehr durch die bloße Verhaltens-
weise charakterisiert, sondern es ist einmal eine Art der Darstellungsweise des
Kunstwerks, vor allem aber eine bestimmte Form des dargestellten Wertes -^
•nur einer unter vielen anderen, neben dem nationalen, dem ethischen, dem reli-
giösen usw. (II, 156). Mit letzterer Bestimmung ist das Ästhetische von der sub-
jektiven Seite in die gegenständliche geschoben, und damit überhaupt erst substan-
tiiert. Anderseits wird jetzt die enge Verwandtschaft zwischen dem Ästhetischen
und dem Künstlerischen weniger verständlich, als sie vorher war, so lange beim
Ästhetischen der Hauptnachdruck auf die subjektive Geisteshaltung gelegt war.

Worin eigentlich der springende Punkt dieser Unsicherheit in der Fixierung
des Ortes des Ästhetischen beruht, wird deutlicher aus der Begriffsbestimmung
der Kunst, die Utitz gibt. Es ist sehr zu begrüßen, daß Utitz den Versuchen, diese
Begriffsbestimmung empirisch-induktiv zu gewinnen, energisch ablehnend gegenüber-
steht, und daß er ebenso sich nicht mit einer bloßen Definition begnügt, sondern
auf eine Wesensbestimmung dringt. »Kunst ist Gestaltung auf Gefühlserlebe
hin« (I, 64) ist die Wesensformulierung, zu der er nach längeren kritischen Ausein-
andersetzungen gelangt. Gewiß wurde schon vor Utitz mehr als einmal die Ge
staltung als wesentlich für die Bestimmung der Kunst herausgehoben, aber dennoc
ist dies Moment niemals mit solchem Nachdruck in den Vordergrund gestellt un
vor allem mit solcher Energie methodisch zur Lösung bei allen einzelnen Strei
fragen der Kunstwissenschaft herangezogen worden. Und hierin gerade erblie
ich eine der Hauptvorzüge des Utitzschen Buches.

Daß freilich die Gestaltung als Gestaltung »auf Gefühlserleben hin« angege°e
wird, erscheint dem Referenten als eine Umbiegung von dem ursprünglichen Weg-


 
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