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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Hagemann, Carl: Regie als Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0216

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REGIE ALS KUNST. 209

dichterischen Vorlage auch bei weitherzigster Beurteilung nicht mehr
in Deckung zu bringen sind. Die Gefahr liegt nahe und ist auch im
praktischen Betrieb der deutschen Bühnen nicht immer umgangen
worden, daß der Regisseur sein Verhältnis zum Bühnenkunstwerk als
Totalität verkennt und sich nicht damit begnügt, die wenn auch gewiß
schöpferisch bedingte und persönlich betonte, so doch im engsten
Anschluß an Sinn, Wesen und Stil des Buches gestaltete Erscheinungs-
form des einzelnen Kunstwerks zu finden, sondern daß er die ihm zu
treuen Händen übergebene Dichtung lediglich als Ausgangspunkt mehr
oder weniger selbständiger Versuche benutzt und wesentlich darauf
ausgeht, szenisch auf jeden Fall irgendwie originelle und auffallende
Wirkungen zu erzielen. Der Regisseur darf nicht außer acht lassen,
daß seine Kunst bei aller ihr heute zukommenden Bedeutung nicht
Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck ist, wenn auch durchaus
unentbehrliches und deshalb höchst bedeutsames Mittel. Die Regie-
leistung als solche ist das Ende eines ausgiebigen und komplizierten
Schaffensprozesses, dessen Anfang und Anlage dem schöpferischen
Willen des Regisseurs nicht untersteht, sondern ganz allein Sache des
dramatischen Dichters ist. Auch heute ist der Regisseur immer noch
der beste, dessen Eigenleistung als Schöpfer der Bühnenerscheinungs-
form bei intensivster Wirkung des Ganzen an sich am wenigsten auf-
fällt. Vom guten Regisseur spricht man nicht, es sei denn eben als
von einem guten Regisseur. Das mag seine Tragik sein. Es ist aber
seines Schaffens und Wirkens letzter Sinn.

M i t b e r i c h t.
Ludwig Marcuse:

Der Dramatiker, der Schauspieler, der Regisseur sind die drei
(prinzipiell) ebenbürtigen Schöpfer des Bühnenkunstwerks. Sie sind
prinzipiell ebenbürtig! Tatsächlich wird stets innerhalb dieser prin-
zipiellen Ebenbürtigkeit eine Rangordnung bestehen nach Maßgabe
der künstlerischen Kraft, welche die einzelnen Mitwirkenden einzu-
setzen haben.

Ein altes Vorurteil sagt: daß Schauspieler und Regisseure nur für
den Dramatiker da sind.

Ein neues Vorurteil sagt: daß der Dramatiker nur für den Schau-
spieler und Regisseur da ist.

Wahrheit ist: es ist überhaupt niemand für den andern da, sondern
alle für das Bühnenkunstwerk. Es kann keine Rangordnung daraus
abgeleitet werden: daß ohne Drama das Bühnenkunstwerk nicht mög-
lich ist. Auch ohne Schauspieler und ohne Regisseure ist es nicht
möglich. Es kann anderseits aber auch keine Rangordnung daraus

Zeitschr. f. Ästhetik u. alle. Kunstwissenschaft. XIX. 14
 
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