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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Schnütgen, Alexander: Alte Fahne mit Zipfel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0048

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63

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

Alte Fahne mit Zipfel.

(Mit Abbildung.)

In der Sammlung des Herrn
Bürgermeister Thewalt zu Köln be-
findet sich eine Fahne, die ihrer
Mafsverhältnisse, Ausstattung, Tech-
nik wegen auch einen vorbildlichen
Werth hat, defswegen hier abge-
bildet und kurz beschrieben wird.

Das quadratische Tuch hat 70 cm,
der Zipfel 106 cm Länge. Der
Grundstoff von beiden ist rother,
blattgemusterter Seidendamast, wie
er um 1600 in Italien, aber auch
anderswo, vielfach fabrizirt und für
Paramente wie Wandbekleidungen
verwendet wurde. Ein Rand mit
gut gezeichneten, scharf geschnitte-
nen Ranken umgibt das Tuch, dessen
Ecken eine Blattrosette schmückt;
diese wie alle anderen Ornamente
sind aus weifslicher Seide ausge-
schnitten und aufgenäht, von roth-weifsen und blauen Kördeichen
konturirt, die sehr kräftig wirken. In diesem Rahmen erscheint als
Füllung ein Ostensorium, das in einem mit Fufs und Bekrönung
versehenen Medaillon besteht für das mit der Siegesfahne auf dem
Buche liegende Lamm Gottes. Solche Ostensorien, aus Metall oder
Holz gebildet, öfters sehr reich behandelt, waren seit dem XIV.
Jahrh. vielfach im Gebrauch als Fassungen für die aus Wachs ge-
formten Agnus Dei, die namentlich im XVI. Jahrh. in Gestalt grofser
Medaillen von tüchtigen italienischen Künstlern modellirt wurden.
Die eine Seite verziert stets die Figur des (zuerst stehenden, später
liegenden) Lammes mit der Umschrift: „Ecce Agnus Dei qui iollit
peccata mundi", sowie bis tief in's XVI. Jahrh. in der Regel das Wappen
des benedicirenden Papstes; die andere Seite schmückt eine Darstellung
aus der Glorie des Herrn, später eines Heiligen, anfänglich auch öfters der
Name des betr. Papstes. — Auf unserer Fahne ist das Lamm im sogen, opus
anglicum, also im Modellirstich, mit der Derbheit ausgeführt, die hier in-
mitten der Applikationsmotive durchaus angebracht war. In derselben Art ist
eine Stickerei behandelt, die im Kensington-Museum zu London aufbewahrt,
in Nr. 1 seiner Art Handbooks: Textile Fabrics S. 84 theilweise abgebildet
ist unter der Bezeichnung: Part of the orphrey of the Syon cope. Da für diese
der englische Ursprung (den auch die um diese Zeit sonst selten verwendete
Modellirstichtechnik wahrscheinlich macht) in Anspruch genommen wird, so wird
derselbe auch für unser Exemplar angenommen werden müssen. Dieses bietet
manches Lehrreiche hinsichtlich der Verzierungsart, die fast ausschliefslich or-
namental, wie der Technik, die einfach aber wirkungsvoll ist, so dafs hier
die Eigenschaften vorliegen, welche auch einer minder geübten Hand die An-
fertigung der Zeichnung und dessen Durchführung gestatten. — Ein weifs-
rothes Fränschen, auch über den Zipfel fortgeführt, gibt dem Ganzen einen
guten Abschlufs. Schnutgen.
 
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