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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Schlie, Friedrich: Der Altarschrein in der Stadtkirche zu Grabow i. M., kein Lübecker, sondern ein Hamburger Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0060

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1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

82

Der Altarschrein in der Stadtkirche zu Grabow i. M.
sondern ein Hamburger Werk.

kein Lübecker,

s ist in kunstgeschichtlichen Kreisen
bekannt, dafs die bei Goldschmidt,
Lüb. Malerei und Plastik, sowie im
mecklenburgischen Denkmälerwerk,
Bd. III, abgebildeten Altarschreine in den
Kirchen der kleinen mecklenburgischen Städte
Grabow und Neustadt, jener vom Jahre 1379,
dieser vom Jahre 1435, zu den bedeutendsten
niederdeutschen Kunstwerken des Mittelalters
gehören. Beide Werke galten bisher als Ge-
schenke der Stadt Lübeck an die genannten
Städte nach zwei grofsen verheerenden Brän-
den, von denen der zu Grabow am 3. Juni
1725 und der zu Neustadt am 26./27. Juli 1728
stattfand. Aber erwiesen war dies nur von dem
Schrein in Neustadt, den einstmals die St.
Jakobi-Kirche zu Lübeck beherbergte. Von
dem Schrein in Grabow dagegen wufste man
nichts Sicheres, wenngleich es nach Mittei-
lungen in den Jahrbüchern für mecklenburgische.
Geschichte und Alterthumskunde X, S. 318 und
XXXVIII, S. 200 ff. den Anschein haben konnte,
als wenn auch dessen Herkunft aus Lübeck
zweifellos sei. Demgemäfs hat denn auch Gold-
schmidt in seinem Buch über die Lübecker
Malerei und Plastik bis zum Jahre 1530 keinen
Anstand genommen, den Grabower Schrein als
ein Hauptwerk lübischer Kunst anzusehen und
zu charakterisiren. Ebenso hat der Verfasser
zur Zeit der Herstellung seines dritten Bandes
der mecklenburgischen Kunst- und Geschichts-
denkmäler (S. 187) keine besseren Nachrichten
gehabt. Aber dieser dritte Band gab bald nach
seinem Erscheinen den Anlafs, dafs solche dem
Verfasser zu Theil wurden, und so ist es ihm
möglich gewesen, noch in dem Nachtrage zur
zweiten Auflage des dritten Bandes darauf hin-
zuweisen (S. 726). Auch hat er davon bereits
den Mitgliedern des kunsthistorischen Kon-
gresses in Lübeck eine kurze mündliche Mit-
theilung gemacht (Oftiz. Ber. S. 31). Es liegt
ihm daher nur noch ob, die besseren Nach-
richten selbst, die dem Herrn Präpositus Sost-
mann in Grabow zu verdanken sind, hier zu
veröffentlichen. Es sind „einige merkwürdige
Nachrichten von der Kirche zu Grabow" im
Archiv der dortigen Kirchenökonomie, angeb-
lich von der Hand des im Jahre 1802 in den

Dienst eingetretenen Kirchenökonomus Müller
nach ihm vorliegenden älteren Schriftstücken
aufgezeichnet. Sie lauten, soweit sie hier in
Betracht kommen, folgendermafsen:

,,1731, den 9. Februar, das Altar von Hamburg
und den 10. in der Kirche gebracht. NB. Hinter
■ dem Berge Golgatha 1596. Am Altare stehet die
Jahreszahl, wann solches verfertigt worden, nämlich
1379. Herr Johann Helwig Gerdes aus Hamburg,
welcher dieses Altar von der St. Petri-Kirche in
Hamburg aus Liebe filr unsere Kirche loosgebeten,
auch die Keparatur-Kosten alldort verschaffet und
in seinem Hause repariren lassen, auch anhero selbst
gebracht. Das Fuhilohn kostet 55 fl. 127» s."

Dazu folgt hier eine 1869 von dem der-
zeitigen Kirchen-Oekonomus Fr. Dunckelmann
gemachte Aufzeichnung über die in diesem Jahre
vorgenommene Restauration. Sie lautet:

„Das Altarblatt (Altarschrein) in der hiesigen
Kirche ist restaurirt vom Maler Greve in Malchin
unter Leitung des 11 Geheim-Archivraths Lisch in
Schwerin im Jahr 1869. Dasselbe trägt die Jahres-
zahl hinter der Mittelgruppe auf dem Kreidegrund
der Wand: Ano dni m ■ c ■ c ■ clxxix
(1379)

„Hinter dem Berge, auf dem das C'rucifix steht,
steht I- R. A- O- I596."

Grabow 1869. (>ez. Kr. Dunckelmann,

Kircher.-Oekonomus.

Durch diese aktenmäfsige Mittheilung ist
somit erwiesen, dafs das werthvolle Werk eine
der wichtigsten Grundlagen für die Hamburger
und nicht für die Lübecker Kunstgeschichte
bildet. Möge es den Archivaren der Stadt
Hamburg, denen ein reiches lokalgeschicht-
liches Urkunden- und Aktenmaterial aus alter
und ältester Zeit zu Gebote steht, gelingen —
und schon läuten die Glocken davon! —, für
dieses Werk ebenso einen zu einer lebendigen
geschichtlichen Persönlichkeit werdenden Meister
mit sicherem Namen zu entdecken, wie den
Meister Francke aus dem ersten Viertel des
XV. Jahrh. als Schöpfer jenes Schmerzens-
mannes im Hamburger Museum, der ohne alle
Frage zu den herrlichsten Inkunabeln des
Mittelalters gehört und nunmehr in den neun
Tafeln vom Altarschrein der Englandsfahrer
im ehemaligen Hamburger Dom die ihm ge-
bührende und seiner windige farbenreiche Ko-
rona erhalten hat.

Schwerin. Friedrich Schlie.
 
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