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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0061

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83

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

84

Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons.

I.

ie altchristliche Zeit hat eine litur-
i gische Farbenregel in unserm Sinne
nicht gekannt. Wohl hat man ge-
sagt, es sei Weifs die alleinige, vorschrifts-
mäfsige Farbe beim Gottesdienst gewesen. In-
dessen wird man einer solchen Behauptung
doch nur mit mancherlei Beschränkung zu-
stimmen können. Jedenfalls wurden schon
früh farbige Stoffe zur Herstellung der Altar-
und sonstiger Behänge wie auch des priester-
lichen Obergewandes, der Planeta oder Kasel,
verwandt. Es genügt hier auf die bekannte
Carta Cornutiana mit ihren farbigen Velen und
die Mosaiken zu Rom, Ravenna und Mailand
(S. Satiro) zu verweisen.

In karolingischer Zeit waren Gewänder und
sonstige Paramente aus farbigen Zeugen sehr
gewöhnlich. Trefflich erhellt das aus den in
der Chronik von Centula erhaltenen In-
ventaren von St. Riquier, wo uns dergleichen
liturgische Ornatstücke in grofser Anzahl
begegnen. Allein auch jetzt ist noch von
keinem Farbenkanon die Rede. Eine be-
stimmte Regel hinsichtlich des Gebrauches be-
stimmter Farben wie später hat es im ganzen
ersten Jahrtausend und noch selbst bis in das
IL Jahrh. unseres Säculums nicht gegeben.

Freilich führen uns die ersten Keime zu
einer liturgischen Farbenregel weit über das
XII. Jahrh. zurück. Schon im VI. Jahrh. zeigen
sich gewisse leise Ansätze zu derselben. In
der St. Germanus von Paris nicht ohne
Grund zugeschriebenen Erklärung der Messe
des gallikanischen Ritus heifst es nämlich:
„Ostern zieht man weifse Gewänder an, da die
Engel am Grab in weifsen Gewändern er-
schienen. Weifse Kleider bedeuten nämlich
Freude".1) Es war also im gallikanischen
Ritus Brauch, am Osterfeste beim Gottesdienste
sich weifsfarbiger Kleider zu bedienen.

Eine Bestätigung erhält das durch die Stelle
bei Gregor von Tours, wo casulae candidae,
quae per paschalia festa humeris sacerdotum im-
ponuntur, erwähnt werden.2) Ob auch die Er-
zählung in der Biographie des hl. Cäsarius
von Arles (f 542), es habe der Heilige einem

') Migne P. I. LXXII, 97.

2) Vita P P. c. 8, n. 5 (Migne P. 1.

LXXI,

1045).

Armen eines Tages, da er sonst nichts gehabt,
casulam quam processoriam habebat albamque
paschalem3) mit der Weisung, sie an Jemanden
aus dem Klerus zu verkaufen, gegeben, hier-
her bezogen werden könne, scheint zweifel-
haft, da nicht feststeht, ob unter alba eine
Tunika oder mit Ergänzung von casula eine
weifse Osterkasel zu verstehen ist.

Ob auch aufser Gallien der in dem galli-
kanischen Ritus sich findende Brauch, Ostern
mit Vorzug weifse liturgische Gewänder zu
tragen, schon im VI. Jahrh. in Kraft gewesen,
läfst sich nicht feststellen. Nach einer An-
gabe der Vita des hl. Columba trugen die
Mönche des Klosters Hy an einem Festtage
beim Gottesdienst weifse Kleider;4) gemeint
ist indessen nicht die liturgische Gewandung,
sondern die Mönchstracht.

Die ältesten Zeugnisse über irgend einen
Farbenunterschied hinsichtlich der liturgischen
Gewänder im römischen Ritus stammen
erst aus karolingischer Zeit. Sie finden sich
in einem von Duchesne veröffentlichten Ordo
aus der Frühe des IX. Jahrh., in der pseudo-
alkuinischen Schrift »De divinis officiis« und
dem fünften Ordo Mabillons.

Der Duchesne'sche Ordo vermerkt für die
Feier am Lichtmefstag: Interim ingreditur pon-
tifex in sacrario (sie) et induit se vestimentis
nigris et diaconi similiter planetas nigras
induunt. Für den Charfreitag lautet die Vor-
schrift: Hora V procedit ad ecclesiam omnis
clerus et ingreditur archidiaconus cum aliis dia-
conibus in sacrario (sie) et induunt se planetas
fuscas; für die Bittage: et ingreditur ponti-
fex in sacrario (sie) seu et diaconi et induunt se
planetas fuscas. Man trug demnach in
Rom im IX. Jahrh. bei Gelegenheiten, deren
Charakter Trauer oder Bufse war, schwarze
oder dunkle Sakralkleider, ganz nach alt-
römischer Anschauung, wonach weifse Ge-
wänder Ausdruck der Freude, dunkle aber der
Trauer waren.

3) 1. I, n. 32 (Migne P. 1. LXVII, 1017): casula
processoria ist hier unzweifelhaft als liturgisches Ge-
wand und zwar nach dein gewöhnlicheren Sinne von
processoria wohl als Mefskasel aufzufassen. Der Aus-
druck paschalis hat bisweilen die weitere Bedeutung
„feiertäglich".

*) Adamani »Vita S. Coluinbae 1.« 3, II. 15
(Migne P. 1. LXXXVIII, 765).

6) »Origines du eulte chreX«, p. 452, 457, 463.
 
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