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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Firmenich-Richartz, Eduard: Hans Memlings Jugendentwicklung
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Braun, Joseph: Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0079

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111

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

112

den oberdeutschen Künstlern seit dem Vor-
gang Martin Schongauers eigen thümlich ist.16)

Die Bemühungen Hans Memlings Bildungs-
gang bis in die deutschen Heimathjahre zurück-
zuverfolgen, müssen somit endgültig als ge-
scheitert bezeichnet werden.

Bonn. E. Firmenich-R ic hartz.

16) Bei diesem Anlafs möchte ich auf ein gröfseres
Breitbild bei Herrn Lamberti in Aachen hinweisen,
welches derselben Hand wie der Mainzer Gemälde-
cyklus angehört. Steife ungelenke Figuren sammeln
sich um den Leichnam Christi, der vorn unter dem
Kreuz starr und entstellt auf einem Bahrtuch ausge-
streckt liegt. Maria und Johannes beugen sich knieend
zu ihm hernieder und schauen innig in das schmerzen-
reiche Antlitz, das noch mit dem Dornenkranz ge-
krönt ist. Besonders fein und anmuthig ist die kummer-
volle Gestalt der reuigen Magdalena, mit den herab-
fluthenden blonden Locken. Die übrigen Leidtragenden
stehen in dem Anblick versunken etwas befangen
nebeneinander. Zu den Seiten kniet das greise Stifter-
paar in kleinerem Mafsstab. Goldgrund und goldene

Scheibennimben. Die Zeichnung tritt in kräftigen
Kontouren besonders hervor, die Gewandung ist hart
und knitterig in kleinlichen Faltenbrüchen behandelt.
Jedes Detail, besonders die krausen Haare, das Pelz-
werk ist strichelnd wiedergegeben. Der Fleischton
ist hell und bleich, das Kolorit recht lebhaft, viel-
farbig. In der Landschaft ist der orientalische Cha-
rakter angedeutet. Die würfelförmigen weifsen Häuser
von Jerusalem haben flache Steindächer, die gewal-
tigen Thorbauten erinnern an das Morgenland, auf
einem Kundtempel mit Kuppel und Umgang prangt
der Halbmond. Zwei abziehende Henkersknechte
tragen Turbane. Wiederum finden sich einige Ueberein-
stimmungen mit Stichen des Hausbuchmeisters. Der
Ausdruck des Schmerzes und tiefer Ergriffenheit sind
häufig ganz ähnlich erfafst, z. B. bei der knieenden
Magdalena mit krampfhaft gefalteten Händen auf „der
Kreuzigung" L. 15. Der Tempel von Jerusalem ist
hier und L. 1-1 mit dem Gemälde völlig übereinstim-
mend dargestellt. Das Blatt L. 77 könnte fast als
Vorlage zu dem würdevollen bärtigen Haupte des
Josephs von Arimathea betrachtet werden. Für die
schlanke Bildung des Leichnams Christi ist L. 21 zu
vergleichen.

Zur Entwicklung des lit
IL
is kann hiernach nicht wohl be-

I zweifelt werden, dafs der litur-
I
yi gische Farbenkanon erst in der

zweiten Hälfte des XII. Jahrh. entstanden
ist. Das allgemeine Schweigen der Litur-
giker unter Umständen, unter denen man
eine Erörterung über eine etwa bestehende
Regel hinsichtlich der Farbe der Mefsgewan-
dung nothwendig erwarten müfste, kann um
so weniger anders gedeutet werden, als uns
auch sonst von einem ausgebildeten Farben-
kanon nichts berichtet wird.

Es ist auffällig, am Ende des XII. Jahrh.
scheinbar so ganz auf einmal eine fertige litur-
gische Farbenreihe vor sich zu sehen. In-
dessen tritt der Kanon Innocenz' III. und des
Cremonenser Bischofs nicht so ganz unver-
mittelt auf, als es beim ersten Anblick scheint.
Eine Reglung der Farbe der liturgischen Ge-
wänder lag im XII. Jahrh. gleichsam in der
Luft. Es brauchten sich die Anschauungen
nur zu verdichten und der Kanon war ge-
geben. Man denke z. B. an die Worte des
Honorius von Autun, in welchen derselbe die
Heiligen mit Blumen vergleicht, an die An-
gaben des Robertus Paululus und Johannes
Beleth über die zu Ostern bezw. zu Ostern

urgischen Farbenkanons.

und Weihnachten bei den Mefsgewändern ge-
bräuchliche Farbe, an die drei verschiedenen
Tücher, die' man wohl bei den Oster- und
Weihnachtsmetten auf den Altar legte, an die
Deutung, welche Bruno von Segni von der
Farbe der bischöflichen Tunika und das „Spe-
culum" von derjenigen der päpstlichen Kasel
giebt.19) Ferner erinnere man sich an die An-
gaben des 5. Ordo Mabillons und die im
XII. Jahrh. weithin, wenn nicht gar allgemein
verbreitete Sitte, an Bufstagen sich dunkler
Paramente zu bedienen.

Im ambrosianischen Ritus begegnen uns
schon um 1130 drei Farben: Weifs, Schwarz
und Roth. Sie werden in dem von Beroldus
für S. Ambrogio in Mailand zusammengestellten
Ordinarium erwähnt.20) In der Fastenzeit soll
über den Altar und die Kanzel ein schwarzes,
in der Charwoche aber ein rothes Tuch aus-
gebreitet werden. Eine rothe Planeta trägt
der Bischof am Charfreitag, wenn er die Pas-

19) Vergl. auch Johannes Beleth, »Rationale«,
c. 70 (Migne P. 1. 202, 77J. Als Grund, warum
dem Weihnachtsfest das des hl. Stephanus und des
hl. Johannes Ev. folge, wird unter anderm dort an-
gegeben: ut omnes suos comites haberet sponsus, qui
rubicundus est et candidus.

3<>) Muralori .Antiq. Ital.« IV, 883, 889, 891,
901.
 
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