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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Endres, Joseph Anton: Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0176

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275

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

276

Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg.

III.
ie Emmeramer Deckengemälde ver-
anschaulichen sowohl in ihrer An-
ordnung als in der noch nicht
konsequent durchgeführten Ver-
wendung von Typen aus dem alten Testa-
mente eine der früheren Entwicklungsphasen,
welche zur Ausgestaltung des Darstellungskanons
der sog. Armenbibeln führten. Indes ist es vor-
her noch ein anderer allgemeinerer, aber meines
Ermessens sehr zu beachtender Gedanke, dem
ich hier gelegentlichen Ausdruck verleihen
möchte. Vielleicht wirft er ein Licht auf die
Anfangsstadien in der Entwicklung der Armen-
bibeln in ihren verschiedenen Formen. Jeden-
falls zeigt er die mittelalterlichen Bildercyklen
mit ihren Typen und Symbolen in einer Be-
leuchtung, welche deren Beziehung und Be-
deutung nach der ikonographischen Seite für das
Volk deutlich hervortreten läfst.

Die eigentlichen Armenbibeln, sowohl jene
in Buchform als die an die Wände kirchlicher
Gebäude übertragenen, kamen dem Verständ-
nisse des Betrachters entgegen durch die meist
in der Volkssprache abgefafsten Texte, die sie
erklärend begleiteten. Für jene Bilderbücher,
welche den Zwecken des Unterrichts dienen
mochten,19) war dabei die Rücksicht auf ein
lesekundiges Publikum mafsgebend. Bei den
öffentlichen Gemälden trat jene Rücksicht mehr
in den Hintergrund und zwar in dem Mafse,
als das Volk des Lesens unkundig war. Wenn
endlich gar, wie in den früheren mittelalter-
lichen Jahrhunderten, regelmäfsig die lateini-
sche Sprache für die Legenden der Gemälde
benutzt wurde, so kann von einer beabsich-
tigten aufklärenden Einwirkung auf das Volk
durch die Bildinschriften nicht mehr die Rede
sein.

Waren etwa deshalb die Gemälde in den
Kirchen für das Volk nicht berechnet? Galt
etwa der alte Gedanke in jener Frühzeit des
Mittelalters nicht in gleichem Mafse, dafs die
Bilder die Bücher der Ungelehrten sind? Gewifs.
Ein sehr angesehener Schriftsteller des be-
ginnenden XII. Jahrh. spricht den Zweck der
kirchlichen Malerei in der Weise aus, dafs er

19) Wetz er und Weite's »Kirchenlexikon« (2)
2, 777.

jenen Gedanken an die erste Stelle setzt, indem
er sagt: Ob tres autem causas fit pictura:
primo quia est laicorum litteratura; secundo»
ut domus tali decore ornetur; tertio, ut priorum
vita in memoriam revocetur.20) Aber das Volk
bedurfte des geschriebenen Wortes zur Er-
klärung der kirchlichen Malereien nicht, seine
Kommentare waren die Predigten, Es waren
namentlich die Predigten der frühscholastischen
Periode, welche sich von den Homilien eines
Hrabanus Maurus und Haymo von Halberstadt
im Alkuin'schen Zeitalter mit ihrem streng exe-
getischen Charakter und von denen der Hoch-
scholastik seit dem XIII. Jahrh. mit ihrem mehr
abstrakt-doktrinären Charakter oder ihrer durch
die Missionsthätigkeit der aufblühenden Bettel-
orden vorherrschend moralisirenden Tendenz
durch ihren populär-anschaulichen und bild-
lichen Inhalt unterschieden. In diesen für die
Sonntage, die kirchlichen Festzeiten und die
Heiligentage bestimmten Predigten, von denen
die berühmtesten Sammlungen wie die eines
Honorius von Autun und Werner von St. Blasien
sich das ganze Mittelalter hindurch in An-
sehen erhielten, war das lehrinhaltliche und
legendarische Material für die Darstellungen
der kirchlichen Kunst einschliefslich ihrer Typik
und Symbolik in vollständiger Weise ent-
halten. Die Predigten waren es, aus denen die
ausführenden Künstler ihre Gedanken nahmen.
So war der Inhalt jener Kunstgebilde, in deren
Sinn wir Spätere uns oftmals erst wieder
mühsam einzuleben haben, den Gläubigen
des Mittelalters durch die Predigt eine längst be-
kannte und vertraute Gedankenwelt. Wenn
trotz des eindringendsten Studiums, welches
Litteraturhistoriker und Germanisten der Ge-
schichte der Predigt zugewendet haben, und
trotz der emsigsten Erforschung der mittelalter-
lichen Kunst jene Thatsache bisher nur wenig
berührt wurde, so geschah es deshalb, weil man
beiderseits sich auf einen einmal gewiesenen
Weg beschränkte.

Für die Predigt des XII. Jahrh. ist von
typischer Bedeutung eine vielbenutzte Predigt-
sammlung des Honorius von Autun mit dem
Titel Speculum ecclesiae, welche ungefähr um

20) Honorius Aug., »Gemma animae« 1, 182,
Migne 172, 586 C.
 
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