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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [6a]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0200

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317

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

318

Herr seine Mutter und sagt im Spruchbande:
Non veni solvere legem, sed adimplere, Matth.
5,17, weil Maria zwar dem Gesetze des Todes
unterworfen blieb, aber auferweckt wurde
(Abb. 10). Acht auf Marias Himmelfahrt be-
zügliche Stellen der Heiligen Schrift und der
Kirchenväter sind um die Mitte vertheilt.
Christus spricht: Tota pulchra es, amica mea,
veni, coronaberis, Hohel. 4, 7 f., ein Engel:
Haec est speciosior sole, Weish.7,29, ein zweiter
Engef: Ista est speciqsa ititer filias Jerusalem,
vgl. Hohel. 2, 13, Moses II, 20, 12: Honora
pairem et malrem, David, Ps. 44, 5: Intende,
prospere procede ei regna, Salomon, Hohel. 3, 6:
Quae est isla, quae ascendit per desertum,
Hieronymus: Gloriosa semper Virgo Maria
coelos ascendit, endlich unten in der Mitte der
als Bischof gekleidete Gregorius Papa: Hec
est, que nescivil thorum in delicto.

Das XIII. und XIV. Bild giebt die Spalte
271 f. beschriebenen Gestalten des hl. Erz-
engels Michael und des hl. Bernward.25)

Die eigentliche Armenbibel hat die meisten
der in dem Hildesheimer Missale verwendeten

*5) Herr Domkapitular Bertram schlägt vor, den
Namen des Malers der Miniaturen Heinrich von Mid-
lum zu lesen. In einem Orte dieses Namens wurde
nach Böttcher (Germania sacra S. 508) 1219 ein
Klosler gegründet. Er bemerkt weiter, die während
der zweiten Hälfte des XII. Jahrh. geschriebene Kopie
der Spalte 273 erwähnten Urkunde sage: Franco ...
sancli Michahelis in Hildenesheym abbas. Notum sit
..., qualiter dilectus frater noster Ratmannus pres-
byter et monachus hunc missalem librum . .. proprio
labore et induslria conscriplum ... contulerit .. . Visum
est . . ., congruum, illorum hie inscribi nomina, quo-
rurn ad ipsum altare sepius agenda esset memoria,
fratrum scilicet nostre congregationis et eorum, qui
se eis familiari dilectione vel etiam collata de rebus
suis beneficiorum largitate sociarunt. Aus der Reihe
der Namen, die folgen, sind hervorzuheben die Aebte
Franco, Bertholdus, Winimar und Rodiger. Als
Wohlthäter wird genannt Brun episcopus. Die Ur-
kunde schliefst: Anno Domini MCLVIIII hie über
consummalus est. Franco starb 1167 als Abt von
St. Michael zu Hildesheim. Winimar, Mönch von
St. Michael, ward 1154—1160 Abt im Kloster Clus
bei Gandersheim (Leibnitz, SS. rerum Brunswig p 31
der Praefatio), Rüdiger, ebenfalls Mönch von St. Mi-
chael, wurde 1150 Abt zu Ringelheim. Der in den
Medaillons des Missale (vergl. Spalie 272) genannte
Bischof Bruno von Hildesheim starb 1161, Beno von
Meifsen, ein Verwandter des hl. Bernward, 1106.
Vergl. Bertram, »Geschichte des Bislhums Hildes-
heim« I, 137 und 108 f.

Vorbilder und Aussprüche der Propheten bei-
behalten, sie jedoch in eine für die ganze Folge
ihrer Blätter fest eingehaltene Ordnung ge-
bracht. Schon in den kurz nach 1300 ent-
standenen Armenbibeln von St. Florian und
Wien20) finden sich auf jedem Blatte vier Pro-
pheten und zwei Vorbilder neben der Haupt-
szene. Dieses System ist auch in den späteren
Handschriften und in den gedruckten Ausgaben
festgehalten worden, wenn auch hinsichtlich
der Stellung dieser vier Propheten und der
Einfügung derselben sowie der beiden Vor-
bilder viel Freiheit und Wechsel blieb.

Das beschriebene Missale mufs also als ein
werthvoller Versuch bezeichnet werden, sowohl
die Gestalten des Prophetenspieles als auch
diejenigen der bereits von den Kirchenvätern
mit grofser Liebe behandelten Vorbilder zu
einem systematisch geordneten Ganzen zu-
sammenzufassen. Darin liegt sein Hauptwerth.
Da es mehrere Jahrzehnte vor Entstehung der
beiden grofsen Bettelorden vollendet war, zeigt
es, dafs die Armenbibel jedenfalls keine
plötzliche Erfindung eines Dominikaners oder
Franziskaners sein kann, sondern langsam aus
der ikonographischen Entwickelungsreihe des
XII. Jahrh. im XIII. herausgewachsen ist.
Wer den kühnen und glücklichen Griff that,
die in fast allen Armenbibeln aufgeführten
Szenen des Lebens Jesu mit den vier sie be-
gleitenden Propheten und den beiden Vor-
bildern so passend zu verbinden, dafs seine
Redaktion fast alle andern verdrängte oder
wenigstens stark beeinflufste, bleibt noch ver-
borgen, weil die zahlreichen, in vielen Bi-
bliotheken aufbewahrten Armenbibeln bis
jetzt noch nie gründlich mit einander ver-
glichen und auf ihre Abhängigkeit von ein-
ander untersucht worden sind. Es wäre nicht
schwer, sie in Gruppen zu zerlegen und da-
durch die Frage nach Zeit und Ort ihrer Ent-
stehung, sowie nach ihrem Verfasser, oder
besser: nach ihrem Ordner, der Lösung näher
zu bringen. Gleiches gilt von den verschie-
denen Redaktionen des Speculum humanae
salvationis. Stephan Beifsel S. J.

») Jahrbuch der k. k. Centralcommission V(1861)
15 f. Camesina und Heider, »Die Darstellungen
der Biblia pauperum« in einer Handschrift des
XIV. Jahrh., aufbewahrt im Stifte St. Florian, Wien,
Staatsdruckerei, 1863.
 
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