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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Hasak, Max: Der alte Kölner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0045

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55

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. •>.

56

Der alte Kölner Dom.

(Mit Grundriß.)

u der Frage, ob die Kirche, welche
über dem (im vorigen Jahrgange
dieser Zeitschrift, Sp. 333/334 ver-
öffentlichten) Widmungsblatt des
Hillinschen Evangeliars als Baldachin abge-
bildet ist, den alten Kölner Dom darstellt,
möchte ich folgendes bemerken:

Die Zeichnung, welche Essenwein ') auf
Grund der beregten Miniatur von dem alten
Kölner Dom entworfen hat, dürfte nicht richtig
sein. Dieselbe verändert durch die Auffassung
der beiden Turmdächer jenseits des Lang-
schiffsdaches als Vierungstürme die Miniatur
völlig und entzieht ihr wahrscheinlich einen
Hauptbeweis dafür, daß hier in der Tat der
alte Kölner Dom dargestellt ist.

Daß die beiden (?) Kreuzflügel nicht so
hoch wie das Mittelschiff sind, erinnert an die
Einhardsbasilika zu Steinbach-Michelstadt und
will mir als eine besondere Eigenart der Kirchen
jener Zeit erscheinen. Die Einhardsbasilika ist
821 geweiht worden, der alte Kölner Dom
wahrscheinlich von Hildebold (f 810) ange-
fangen und von Willibert 874 geweiht worden.
Sie sind also gleichzeitig entstanden.

Graf2) hat allerdings nachgewiesen, daß die
ausgebildete kreuzförmige Basilika schon um
550 eine Erfindung des jungen Frankenreiches
gewesen ist, auch der Grundriß von St. Gallen
um 830 zeigt ein völliges Kreuzschiff, aber in
den wenig ausgebildeten Kreuzschiffen, die
später kaum wieder auftreten, sehen wir sicher
ein uranfängliches Vorgehen zur Ausbildung
einer Kreuzanlage. Darum dürfen gerade die
niedrigen Querflügel der Miniatur nicht aus-
gemerzt werden. Dazu kommt, daß in der
Beschreibung des alten Domes nach dem
Brande vom 30. April 1248 weder Vierungs-
türme noch Kreuzflügel Erwähnung finden.
Letztere wären aber wohl sicher mit ihren
oberen Fenstern verzeichnet worden, wie dies
im Längsschiff geschehen ist: „In lateribus
vero superiores fenestrae fuerunt viginti quatuor
hinc et hinc." 3)

Auch in den Vorschriften des Kalendariums
der Domkustodie über die Beleuchtung des

1) »Handbuch der Architektur«, II. 3. Bd., 1. H.,
S 135.

2) Graf, »Opus francigenum» (Stuttgart 1878).

3) Enn en und Eckertz, »Quellen zur Geschichte
der Stadt Köln« (Köln 1863) Bd. 2, S. 586.

Domes findet sich nirgends der Hinweis auf
ein Kreuzschiff.4) Dagegen wird das frühere
Vorhandensein der beiden Türme neben dem
Peterschor, wie sie die Miniatur zeigt, durch
die Aufzählung der Fenster nach dem Dom-
brande von 1248 bezeugt. Daselbst heißt es:

„Item versus altare sancti Severini, quod
situm apud ianuam per quam de ecclesia ad
gradus beatae Mariae intratur ad majorem,
ubi quondam una turris, fuerunt quinque
fenestrae et una super altare.

Item versus altare Cosmae et Damiani in
dextero latere, ubi quondam turris altera,
fuerunt quinque fenestrae et una super altare."5)

Es dürfte also keinerlei Grund vorliegen,
die Miniatur so einschneidend zu verändern,
wie es der Essenweinsche Vorschlag tut; man
hat sie zu nehmen wie sie ist. Darnach stehen
an der Südseite des Domes, welche auch da-
mals die Hauptschauseite war, zwei Turmbauten,
die wahrscheinlich das Geläute bargen, für das
die runden Türme wohl zu klein waren. Nur
die Fensterzahl im Hochschiff will nicht recht
zu der Beschreibung nach dem Brande passen,
da man auf der Miniatur nur dann 24 Fenster
im Hochsch'ff erhält, wenn man die daselbst
gezeichneten 6 Fenster als gekuppelt annimmt,
mit einem Säulchen in der Mitte. So hätte
man auf jeder Seite 12 Fensterlöcher und
beiderseits 24. Falls man so übersetzen darf.

Aber die Beschreibung stammt ja aus dem
XIII. Jahrh., die Zeichnung aus dem XI. Wie
viel Fenster in die Kölner Kirchen während
dieser Zeit eingebrochen worden sind, sieht
man heute noch. Kurz, die Kirche auf dem
Hillinschen Widmungsblatt scheint mir keine
Kirche zu sein, wie man sie im XI. Jahrh.
aufführte. Sie macht einen höchst altertüm-
lichen Eindruck. Der Maler kann nur eine
schon lange bestehende dargestellt haben. Da
ist es das Naheliegendste, in ihr den alten
Kölner Dom zu erblicken.

Auch der Grundriß des alten Domes, wie
man sich denselben aus der Beschreibung
nach dem Brande und aus dem Kalendarium
der Domkustodie herstellen kann, paßt zu der

4) »Monumenta Ciermaniae historica« (Hannover
1859) Script. XVI, S. 734 ff.

6) »Monumenta Germaniae historica« (Hannover
1859) Script. XVI, S. 734 ff. (Notae s. Petri Col.).
 
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