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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0021
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Der PritschenpeLer.

Der Pritschenpeter lebte als lustiger Rat am Hofe des Kur-
fürsten Friedrich IV. Er konnte es gut mit seinem Herrn und
erlaubte sich manchen Spah ihm gegenüber. Einmal aber ging
er doch zu weit, und der Kurfürst wurde böse auf ihn. Er be-
fahl ihm, das Schloh zu räumen. Da erwiderte der Narr: „2ch
bin's zufrieden, aber mit der Silberkammer will ich den Anfang
machen."

Ein andermal schalt ihn jemanden einen Narrenfresser.
Pritschenpeter gab zur Antwort: „Da ist es aber ein Wunder,
dah du noch lebst, jedenfalls bist du noch nicht lange in meiner
Aähe."

Noch treffender fertigte der Hofnarr jenen ab, der ihn fop-
pen wollte, mit den Worten: „Wärest du doch ein ganzer Aarr,
dann könnte man besser mit dir zurechtkommen." Pritschenpeter
entgegnete: „E>ib mir deinen Sparren zu dem meinigen, dann
bin ich ein ganzer Aarr." (Aach Schnezler)

Der Kurfürst und das Waldweiblem.

Kurfürst Friedrich der Siegreiche jagte wieder einmal, wie
so oft, im Heidelberger Stadtwald. Er kannte keine Gefahr.
Als er mit seinem Roh die Spur eines Hirsches verfolgte, stand
er plötzlich am Rande einer jähen Felswand. Sie fiel senkrecht
ins Reckartal ab. Ein Schritt noch, und er wäre unrettbar ver-
loren gewesen. 2n diesem Augenblick nahte sich ihm ein altes
Weiblein. Anerschrocken trat sie an den Kurfürsten heran und
schalt ihn heftig, weil er so waghalsig war und seiner nicht
schonte. Friedrich hörte ruhig zu und fragte endlich: „Weiht du
denn, Mütterchen, wen du vor dir hast?" Die Alte entgegnete:
„Gerade weil ich dich kenne, schelte ich um so mehr; als Fürst
muht du dein Leben schonen für deine Llntertanen. Feinde be-
drohen dein Land von allen Seiten, und dein Tod wäre des
Volkes Antergang."

Dann zeigte ihm das Waldweiblein einen Weg, auf dem
er zum Schloh zurückreiten konnte.

Die Hofleute aber meintcn, der Kurfürst sei demselben Wald-
weiblein begegnet, das sich jedesmal zeige, wenn Krieg und
Anheil dem Lande bevorständen. (Rach Schnezler)
 
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