grüszten und ihn stundenlang im Festsaal warten ließen. Nun
hatte er Zeit, Einkehr zu halten. Da, als die Turmuhr Mitter-
nacht schlug, setzte ein wehmütiger. tiefergreifender Gesang ein.
Anhörbar öffnete sich die mächtige Tür, und tiefverschleierte
Frauen trugen die festlich geschmückte Braut auf einer Bahre
in den Saal. Grauen erfahte den Ritter. Seine Augen wurden
starr, sein Gesicht verzerrte und sein Haar sträubte sich. Graf
Bruno ergriff den Treulosen an der Hand und zerrte ihn an
die Bahre. Mit durchbohrendem Blick gebot er dem entsetzten
Ritter: „Ietzt haltet Euer gegebenes Wort und macht Hochzeit
mit meiner Tochter!" — Wie verstarrt, wurde der Ritter von
wildem Wahnsinn erfaßt und jagte aus dem Saale. Wenige
Augenblicke darnach stand er auf der hohen Burgzinne, von wo
er in die Tiefe sprang. Sein Leib mit den zerschmetterten Glie-
dern wurde neben der Braut in die Erde gebettet.
(Rach W. Schwarz)
Die schlimme Barbara.
Graf Niklas von Dilsberg hatte an einem Kreuzzuge teil-
genommen. Er wollte sühnen, was er an seiner ersten Gemah-
lin gesündigt hatte. Des Himmels Strase ward ihm indes schon
vorher zugemessen; denn seine frühere Buhlin, namens Bar-
bara, die er geheiratet hatte, schuf ihm nicht nur die Hölle aus
Erden, sondern behandelte auch seine beiden Kinder aus erster
Ehe über die Maßen schlecht. Um so mehr begünstigte sie ihren
eigenen Sohn. Die fortgesehte unmenschliche Behandlung brachte
die Kinder zuletzt soweit, daß sie der Stiefmutter den Gehorsam
verweigerten und den Entschluß fahten zu entfliehen. Eines
Tages entwichen sie heimlich aus der Burg und irrten lange im
Wald umher. 2luf einmal vernahmen sie den Klang von 2agd-
hörnern und das Wiehern von Pferden. Kaum hatten sie auf-
gehorcht, als auch schon ein Reiter dahersprengte. Der Zwingen-
berger war's, der Jagd in der Gegend abhielt. Die verschüchter-
ten, blassen Kinder erzählten ihm weinend von ihrem Schicksal.
Da sprach der Ritter: „Meine liebe Frau daheim grämt sich sehr,
weil sie kein Kindlein hat. 2ch will euch zwei Waislein aufneh-
men. damit aus meiner Burg die düstere Stille weiche; ich will
euch Bater sein." Gerne willigten die Kinder ein. Das Schloß
Zwingenberg wurde jetzt ihre zweite Heimat.
Als Frau Barbara auf dem Dilsberg von dem Ausenthalt
ihrer Stiefkinder erfuhr, wollte sie die Entlaufenen mit Gewalt
zurückhvlen. 2lber alle Bemühungen halfen nichts. Der Zwingen-
berger war entschlossen, für die Kinder sogar mit dem Schwert
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hatte er Zeit, Einkehr zu halten. Da, als die Turmuhr Mitter-
nacht schlug, setzte ein wehmütiger. tiefergreifender Gesang ein.
Anhörbar öffnete sich die mächtige Tür, und tiefverschleierte
Frauen trugen die festlich geschmückte Braut auf einer Bahre
in den Saal. Grauen erfahte den Ritter. Seine Augen wurden
starr, sein Gesicht verzerrte und sein Haar sträubte sich. Graf
Bruno ergriff den Treulosen an der Hand und zerrte ihn an
die Bahre. Mit durchbohrendem Blick gebot er dem entsetzten
Ritter: „Ietzt haltet Euer gegebenes Wort und macht Hochzeit
mit meiner Tochter!" — Wie verstarrt, wurde der Ritter von
wildem Wahnsinn erfaßt und jagte aus dem Saale. Wenige
Augenblicke darnach stand er auf der hohen Burgzinne, von wo
er in die Tiefe sprang. Sein Leib mit den zerschmetterten Glie-
dern wurde neben der Braut in die Erde gebettet.
(Rach W. Schwarz)
Die schlimme Barbara.
Graf Niklas von Dilsberg hatte an einem Kreuzzuge teil-
genommen. Er wollte sühnen, was er an seiner ersten Gemah-
lin gesündigt hatte. Des Himmels Strase ward ihm indes schon
vorher zugemessen; denn seine frühere Buhlin, namens Bar-
bara, die er geheiratet hatte, schuf ihm nicht nur die Hölle aus
Erden, sondern behandelte auch seine beiden Kinder aus erster
Ehe über die Maßen schlecht. Um so mehr begünstigte sie ihren
eigenen Sohn. Die fortgesehte unmenschliche Behandlung brachte
die Kinder zuletzt soweit, daß sie der Stiefmutter den Gehorsam
verweigerten und den Entschluß fahten zu entfliehen. Eines
Tages entwichen sie heimlich aus der Burg und irrten lange im
Wald umher. 2luf einmal vernahmen sie den Klang von 2agd-
hörnern und das Wiehern von Pferden. Kaum hatten sie auf-
gehorcht, als auch schon ein Reiter dahersprengte. Der Zwingen-
berger war's, der Jagd in der Gegend abhielt. Die verschüchter-
ten, blassen Kinder erzählten ihm weinend von ihrem Schicksal.
Da sprach der Ritter: „Meine liebe Frau daheim grämt sich sehr,
weil sie kein Kindlein hat. 2ch will euch zwei Waislein aufneh-
men. damit aus meiner Burg die düstere Stille weiche; ich will
euch Bater sein." Gerne willigten die Kinder ein. Das Schloß
Zwingenberg wurde jetzt ihre zweite Heimat.
Als Frau Barbara auf dem Dilsberg von dem Ausenthalt
ihrer Stiefkinder erfuhr, wollte sie die Entlaufenen mit Gewalt
zurückhvlen. 2lber alle Bemühungen halfen nichts. Der Zwingen-
berger war entschlossen, für die Kinder sogar mit dem Schwert
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