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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0095
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Äberraschung bot sich ihm hier! Vor dem Eingang saß die
Iungfrau, abgezehrt und vergrämt, immer in die Ferne schauend.
Anbeschreiblich war die Freude des Wiedersehens auf beiden
Seiten.

Der Ritter brachte jeht seine Braut zu einer frommen
Witwe, wo sie so lange wohnte, bis er auf dem Platze, wo er
sie wiedergefunden hatte, ein stolzes Schloh gebaut hatte und
sie als Gemahlin heimführen konnte. (Nach Schreiber)

Der Edelstein bei Schriesheim.

Es war einmal ein über die Maßen habgieriger Bäcker in
Schriesheim, der hieh Mller. Er hatte eine schöne Tochter, auf
die der Hutzelmann ein Auge warf. als er sie einst im Wald
erblickte. And obgleich er nur ein Waldspuk war, begehrte er
das schöne Mädchen zur Frau und fand Mittel und Wege, dies
dem Bäcker kundzutun und ihm Edelsteine. soviel er nur wollte,
dafür zu versprechen. Den Bäcker blendete der Teufel, dah er
Fleisch und Blut. und noch dazu sein Fleisch und Blut gegen
kalte, glitzernde Steine verkaufte: und er führte das arme Kind
eines Morgens, ehe noch die Sonne aufging, leise und heimlich
auf den Slberg. „damit sie den Rhein bei Sonnenaufgang sähe".
Aber der Wald war nvch dunkel und voll Nebel. Plötzlich stand
das Mädchen allein. Der Alte war abseits gegangen, den Hut-
zelmann zu rufen. „Wo ist deine Tochter?" fragte der Spuk.
„Sie steht draußen und wartet," antwortete der Rabenvater.
„Dann hol' dir deinen Lohn," sagte der Hutzelmann, und führte
den Böller an den Abhang des Berges. dorthin, wo man übers
Rheintal hinweg in die Pfalz blicken konnte. Da ging die Sonne
auf und erweckte ein gewaltiges Funkeln und Dlitzen in den
Tausenden von Edelsteinen, die da geschichtet lagen. Dem Böl-
ler verschlug es den Atem. Er stürzte sich auf den Reichtum
und fing an zu raffen, alle Kleidertaschen voll, und den grohen
Sack voll, den er bei sich hatte, und die Mütze voll. „Den auch!"
schrie er, „und den — und den noch! Rein, ich kann keinen da-
lassen, sonst sterb' ich! And das ist der gröhte, ein Königreich
wert — gib ihn her, Lump von einem Huhelmann, geiziger
Gauner!" „Böller. Völler, hüt' dich! Der ist zu schwer. der
bringt dich um!" rief der Hutzelmann drohend. Aber der Völ-
ler, schon fast zusammenbrechend unter der Last der Steine, be-
fahl ihm keuchend. das Riesenkleinod zu bringen. Schweigend
hob der Zwerg den ungeheuren Edelstein auf und fragte zum
letzten Mal:

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