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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0015
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geworden durch den Dichter Schesfel, der ihm in seinem Lied
^Das war der Zwerg Perkeo im Heidelberger Schloß" ein un-
vergängliches Denkmal gesetzt hat.

Aus der grohen Zahl von Anekdoten des „lustigen Rates",
wie er sich von den Hofleuten gerne nennen ließ, seien nur zwei
herausgegriffen.

I.

Ein kurfürstlicher Beamter, der nicht gerade als der fleißigste
bekannt war, eilte einmal früh zum Fürsten und fragte Perkeo,
den er mühig in den Borsälen herumschlendern sah: „Wie geht's,
hat mein gnädigster cherr, der Pfalzgraf, ausgeschlafen?" Per-
keo antwortete: „Willst ein kluger Mann sein und fragst, ob der
Pfalzgraf schlafe. Wenn er es täte, wer würde dann wachen für
sein Land und seine Leute? Ein Fürst muß wachen, damit wir
faule und volle Rarren schlafen können."

II.

Ein andermal sah Perkeo den Doktor Helmreich, „ein eitel
stolzes Männlein." in einem neuen Anzug. Schnell zog der Narr
sein bestes Kleid an, ging zu ihm hin und sagte: „Lieber, laß
uns unsere Röcke tauschen." „And wozu das?" fragte der Dok-
tor ärgerlich. „Damit du siehst, wie schnell ich dann in den Augen
der Welt ein groher Doktor und du ein kleiner Rarr würdest",
war des Zwergen Antwort.

Me Perkeo zu seinem Namen kam.

2lls Kurfürst Karl Philipp den trinkfesten Knirps in Inns-
bruck auf seine Leistungsfähigkeit geprüft hatte, rief er verwun-
dert aus: „Du bist ein Prachtskerl; du kommst mit mir nach Hei-
delberg und wirst mein Kellermeister. Ich ernenne dich zum
Ritter und Kammerherrn des Faßkönigs. And eine Wette gehe
ich mit dir ein: in meinem Schloßkeller liegt das größte Fah der
Welt. Trinkst du es leer, so sei Schloh und Stadt dein!" „percüe
no?" (Warum auch nicht?) sagte der Kleine gelassen, als ob
ihm der Kurfürst einen Hering zum Frühstück angeboten hätte.
Da rief der Kurfürst: „Perkeo sollst duheißen!"

So zog Perkeo mit dem Kurfürsten an den Hof nach Hei-
delberg, wo er bald nicht nur durch seine zwergartige Gestalt,
sondern auch Lurch seine sonderbare Kleidung auffiel. Denn er
bekam eine farbenstrotzende Galauniform, einen Orden auf die
Brust und statt des Degens einen riesigen Kellerschlüssel an die
Seite. Später wurde der Zwerg auch von einem berühmten Ma-
ler in Sl gemalt. Da nun sein Herr, der Kurfürst, mit der Stadt

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