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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0026
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haus und zeigte einem Freunde, der ihn besuchte, das Innere
desselben. Da stieh jener beim Herabgehen auf einer Wendel-
treppe zufällig an die Wand, und der dumpfe Ton und ein auf-
fallendes Geräusch erregten ihre besondere Aufmerksamkeit. Bei
wiederholtem Anklopfen steigerte sich dieselbe, und um der selt-
samen Sache auf die Spur zu kommen, ließen sie sogleich eine
Sffnung in die Mauer brechen, wodurch sie eine Wandvertie-
fung entdeckten. 2n dieser war ein Ritter geharnischt und auf-
rechtstehend eingemauert. Durch die Erschütterung beim Durch-
stohen und den Andrang der äuheren Luft zerstob der Körper
scgleich in Asche, und die Rüstung selbst wurde durch das plöh-
liche Zusammenstürzen ein wenig beschädigt. Ihr äußeres Nn-
sehen zeugte auf ein sehr hohes Alter, und auch das Mauer-
werk, welches diese Wandnische schloß, stimmte dafür. Die Rü-
stung ist reich mit E>old verziert, läßt sofort auf einen höheren
Rang des Snhabers schliehen und hat mehrere Zeichen von
Schwertschlägen . . . Man findet in den Familienarchiven der
Herren von Helmstatt keine nähere Auskunft über die tragische
Geschichte dieses Ritters. Richt ohne Wahrscheinlichkeit aber
dürfte sein, daß der Anglückliche in einer Fehde niedergewor-
fen und sofort lebendig hier eingemauert worden sei. Diese
Meinung erhält auch eine gewisse Glaubwürdigkeit durch die
Sage, daß hier ehemals der Sitz eines Femgerichts gewesen
war, sowie ferner durch die ganze Bauart der Nische. Diese ist
2'/s Schuh breit, 3'/- Schuh lang und 6V2 Schuh hoch (Schuh —
ein altes Längenmaß von etwa 30 Zentimeter Länge). Oben
war eine Offnung, durch welche dem Anglücklichen wahrschein-
lich die ihm bestimmten kärglichen Speisen zugeschoben wurden,
bis der Lod seinem martervollen Leben ein Ende setzte. Bis
heute ist es nvch nicht gelungen, das Dunkel um den eingemauer-
ten Ritter zu erhellen; aber die Sage hat sich bald seiner an-
genommen."

Von den vielen Ansichten über den grausigen Fund seien
hier folgende erwähnt:

Die eine Vermutung geht dahin, dah der unglückliche Ritter
tatsächlich lebendig eingemauert worden sei; die andere, ein
Sproß des Handschuhsheimer Herrengeschlechtes habe sich so
sehr mit seiner Burg verbunden gefühlt, daß er sich auch im
Lode nicht von ihr trennen wollte und daher diese Bestattungs-
art selbst anordnete; eine dritte hält es für möglich, daß
nur eine wertvolle Rüstung hier ein sicheres Versteck fin-
den sollte.

Ob der Schleier des Geheimnisses jemals gelüftet werden
kann, ist fraglich.

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