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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0040
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Dieter Nezel.

Dieter Nezel war ein Raubritter der schlimmsten Art. hab-
gierig, grausam, erbarmungslos. Seine Durg Reichenstein bei
Neckargemünd, ein völlig unzugänglicheS Felsennest, beherrschte
die Zugünge des Neckar-, Elsenz- und Wiesenbacher Tals. Wehe

dem Wanderer, der in
Nezels Dereich geriet!
Nicht nur Hab und
E>ut, sondern gar oft
auch das Leben raubt
er seinen unglücklichen
Opfern. Keine noch so
ernste, ja nicht einmal
die kaiserüche Warnung
brachte den Wegelage-
rer von seinem verbre-
cherischen Treiben ab.
Lachend schlug er eines
Lages auch einen Brief
des Kaisers, den er als
„Wisch" bezeichnete, in
den Wind und lieh den
unseligen Boten, der
das Schriftstück brach-
te, an einem weithin
sichtbaren Baum auf-
hängen.

Diese Lat endlich
brachte das Maß seiner
Sünden zum Äberlau-
fen, und furchtbare Ver-
geltung folgte. Kaiser-
liche Truppen erstürm-
ten sein Raubnest, setz-
ten den Schurken ge-
fangen, und nahmen ihm seine Güter. Am selben Lag noch trug
der Daum. an dem des Kaisers Dote kurz vorher gehangen, eine
neue schreckliche Frucht: Dieter Nezel nämlich baumelte am Ast,
und es weinte ihm keiner eine Träne nach. Bielmehr wider-
hallten alle Täler vom 2ubel der erlösten Leute, auf denen die
Bedrängnis durch den Raubritter wie ein Fluch gelastet hatte.
Nun schaukelte der Nachtwind seinen aufgedunsenen Körper hin

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