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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0059
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Sie erzählt: Einmal saßen zwei Bürger, ein Geracher Schäfer
und ein Schollbrunner Bauersmann rn einer Wirtschaft zu Nek-
kargerach beim Schoppen. 2e mehr sie dem Wein zusprachen,
desto lebhafter wurde ihre Anterhaltung, bis sie schließlich auch
rühmten, ungewöhnlich stark zu sein. Ieder von ihnen wollte
den andern übertresfen. Es kam zu einer Wette.

Der Geracher erbot sich, einen in Gerach liegenden schweren
Stein hinauf nach Schollbrunn zu tragen und dort vor dem chause
des alten Schild (dem jetzigen Hause des Adam Schulz) nieder-
zulegen. Gelinge ihm das, dann solle die Geracher Grenze bis
hinauf an jenen gedachten Plah ziehen und der dort nieder--
geworfene Stein den neuen Gemarkungsftein darstellen.

Der Vorschlag wurde angenommen, und der Geracher Schä-
fer ging sofort ans Werk. Doch der Weg war steil und der Stein
schwer und ungeschickt zu tragen. 2lls der Prahler kaum die
Hälfte des Wegs zurückgelegt hatte, verließen ihn die Kräfte,
und er ließ die Last zu Boüen fallen. 2m nächften Augenblick
brach er tot zusammen. Aus dem betreffenden Stein, so erzählt
man sich, habe man ein Kreuz herstellen und zur Erinnerung
an jene traurige Begebenheit dort aufstellen lassen, wo es als
Lauerskreuz nvch heute zu sehen ist. Darf es nicht als merkwür-
diger Zufall gelten, daß die Geracher Gemarkungsgrenze in der
2lähe jenes Steines vorüberzieht?

(Äach Fritz Ernst, Strümpfelbrunn)

Die Bartholomäusklinge.

Das Bolk sagt „Barthelmarschklinge" und meint damit einen
Felsensteig zwischen Schollbrunn und Reichenbuch. Der Bar-
thelmarsch, eine Art Rübezahl, hockt sich dir in den Rucksack oder
Korb, daß sich beim Fortschleppen dein Buckel braun und blau
färbt und dein Hemd vom Schweih tropfnaß wird. 2Iber der
alte Gottlieb Fink aus Reckargerach, der Heilkräutersammler und
Höhlenbewohner, war doch noch schlauer als der Barthelmarsch.
Schon einige Male hatte er den boshaften Geist in seinem Kräu-
tersack beherbergt. Einmal aber, als er eben den Sack prall voll
Haselwurz von der Barthelmarschklinge gesteckt hatte, huckte er
ihn nicht gleich auf. sondern murmelte rasch ein frommes Sprüch-
lein drüber. ergriff seinen Knotenstock und prügelte wie unsin-
nig auf den unschuldigen Kräutersack los, so lange, bis er den
Barthelmarsch vertrieben zu haben glaubte. Ei — da sei der Sack
leichter gewesen, meinte der Gottlieb Fink vergnügt.

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