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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0061
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Der Reiter ohne Kopf.

2m Mückenlocher Wald. und besonders in dem angrenzenden
Wiesental gegen Lobenseld, geisterts zuweilen. Dort sieht man,
svbald die Dunkelheit einbricht, wie ein einzelner Reiter sein
Roß tummelt. Blitzschnell wie er erschienen, ist er auch wieder
verschwunden. 2lber wie sonderbar ist seine Gestalt! Er trägt
nämlich seinen eigenen Kopf wie einen Hut unter dem 2lrme.
Wer ihm aus dem Wege geht, bleibt unbehelligt. Dreimal wehe
aber dem, der ihm in die Hände fällt. Zum allermindesten läßt
er sein Opfer so lange in der Wildnis umherirren, bis es voll-
komm?n ermattet zusammenbricht. 2Iur eines will dem Reiter
nicht gelingen, trotzdem er sein Pferd immer wieder antreibt,
nämlich über einen Graben zu reiten. der in der Nähe sich hin-
zieht. Das quält ihn am meisten, und manchmal hat er schon den
heißen Wunsch ausgesprochen, erlöst zu werden.

Zu Lebzeiten war dieser „Geist", so erzählt man sich, Geo--
meter gewesen, der sich im Dienste viele Betrügereien zuschul-
den kommen ließ. Wie gar manches Bäuerlein mußte zusehen,
wenn der Feldmesser ein Stück seines wertvollsten Feldes un-
rechtmäßiger Weise dem Rachbar zumah, von dem ihm ein gu-
tes Lrinkgeld zugesichert war. Konnten solche Freveltaten un-
bestraft bleiben? Zwar hat das irdische Gericht den Angetreuen
nicht verurteilt, dafür aber traf ihn die Strafe des Himmels
umso härter. Er durfte im Grabe keine Ruhe finden. Bon Zeit
zu Zeit muß er sich aus seiner Ruhestätte erheben und umher-
irrend die versetzten Grenzsteine aufsuchen, welche die Zeugen
seiner einstigen Anredlichkeit darstellen.

Mit teuflischer Gewalt zieht's ihn immer wieder an jene
Plätze hin, die er so gerne vergessen möchte.

Anrecht Gut gedeiht nicht. (Nach Mone)

Der Bergsee.

Einst sah ein Knabe auf dem Wimpfener See drei weiße
Schwäne schwimmen. Er holte schnell ein Brett und fuhr ihnen
nach. 2lls er eine Strecke weit vom Afer entfernt war, schlug
das unsichere Fahrzeug um, und der Knabe sank unter. Er wußte
nicht, wie ihm geschah, als er sich auf einmal in einem prächtigen
Schlosse befand. in dem drei wunderschöne Iungfrauen waren.
die ihn fragten: „Wie bist du hierher gekommen?" „Ich wollte
die drei weihen Schwäne betrachten," entgegnete er, „ich weiß

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