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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0067
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Iin Schönbrunner Wald.

2m Schönbrunner Wald sah man dann und wann einen
weißen Hund auf dem Boden sitzen, der verscharrtes Diebesgut
dort bewachte. Einmal kam um Mitternacht ein Bauer des We-
ges und erblickte unter den scharrenden Klauen des Tieres viele
funkelnde Gold- und Silberstücke. Furchtlos, wie er war, trat er
hinzu und stopfte sich alle Taschen voll mit den kostbaren Mün-
zen. Dreimal frug eine Stimme: „2st das dein Eigentum?"
und dreimal antwortete der Bauer kecklich: „2awohl!" Da
klatschte eine mächtige Ohrfeige auf seiner Backe, und es rief:
„So nimm nun auf und habe Glück damit!" Der Bauer griff
noch eifriger zu und konnte gar nicht genug kriegen. Sofort be-
gann er, mit dem Diebesgeld einen grohen Stall und daneben
eine Scheuer zu bauen. Aber was muhte er erleben? 2llle Mor-
gen waren sämtliche Türen ausgehängt, das schwitzende Rind-
vieh stand verkehrt angebunden und den Pferden waren feste,
steife Zöpfe geflochten. Schliehlich lieh der Bauer beide Ge-
bäude wieder abreihen und das Holz kostenlos einem armen
Bauern zu Schwanheim zukommen. Als jener die Balken und
Bretter nach Hause holte, sah er plötzlich auf dem lehten Holz-
wagen ein kleines, altes Männchen sitzen, das dauernd nickte
und sagte: „Gelt. ich bin doch mitkommen?" Das war der Geld-
hüter, der jetzt frei war. Als der Schönbrunner aber bald
daraus an einem andern Platze neu zu bauen begann, spukte es
auch hier wieder, am stärksten in den Zwölfernächten zwischen
Weihnachten und Neujahr.

Anrecht Gut gedeiht nicht.

Von der Schlingenwaldhexe.

Anweit vom „kalten Herrgott" (zwischen Oberflockenbach
und Weinheim) hauste die Schlingenwaldhexe. Sie hatte zwei
Kinder, ein Mädchen und einen Knaben. Einst kam ein Mann
zu ihr und sagte: „2ch heirate dich, wenn diese Kinder nicht
mehr da sind." Da die Frau zu gerne geheiratet hätte, suchte
sie sich der Kleinen, die ihr im Wege waren, zu entledigen. Sie
ging mit ihnen in den Wald, machte zwei Schlingen und hängte
die armen Würmchen daran auf. Als der Mann von dieser
furchtbaren Tat erfuhr, bekam er einen solchen Abscheu vor dem
Weibe, dah er sie von sich stieh. Dem irdischen Richter konnte
sich die Rabenmutter entziehen, umso härter traf sie die Strafe
des Himmels. Seit der Zeit nämlich. da die Hexe gestorben

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