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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0070
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baum heranwachsen werde, wie wir ihn heute voller Bewunde-
rung schauen dürfen! Wieviel Stürme mögen im Verlaufe der
Iahrhunderte über die Karl-Ludwig-Eiche hinweggebraust sein!
Haben sie deren Wachstum verhindern, ihre Standfestigkeit er-
schüttern oder gar ihre Wurzeln zu entreißen vermögen? So
sollte uns Pfälzern auch dieses herrliche Sinnbild deutscher
Kraft, Stärke und Schönheit allezeit ein Mahnzeichen sein, aus-
zuharren in schwerster Notzeit und eingedenk zu bleiben des
Scheffelschen Wortes: „Aufrecht und stolz, wie's Deutschen
ziemt!"

Das Sühnekreuz bei Mückenloch.

Wer den schattigen Waldpfad einschlägt, der von Dilsberg
über die Höhe bei Mückenloch nach Waldwimmersbach führt,
kommt an einem uralten Steinkreuz vorüber. Verwittert und mit
Moos überzogen, ist seine Inschrift nicht mehr zu entziffern.

Nur die Sage weiß zu
künden, weshalb das
kleine Denkmal hierher
gesetzt wurde.

Von zwei Brüdern
war der eine fleißig
und sparsam, der an-
dere aber ein Faulpelz
und ein rechter Tauge-
nichts. 2lls beide nach
der Schulzeit in die
Fremde kamen, hörte
man lange nichts mehr
von ihnen. Da drang
eines Tages die Kunde
ins Dorf, daß der Tu-
nichtgut schrecklich zer-
lumpt, ja zum Verbre-
cher geworden sei, der
besonders auf ahnungslose Wanderer es abgesehen habe, die
er unbarmherzig niedermache und ihrer Habe beraube. Da
tauchte eines Tages der Verbrecher in der Heimat auf, wo er
anfänglich eine musterhafte Führung vortäuschte. in kurzer Zeit
aber wieder in seine alten Schlechtigkeiten zurückfiel. Der dichte
Wald bei Mückenloch schien ihm besonders geeignet. sein un-
sauberes Handwerk auszuüben. Bald hatte er eine Stelle ent-

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