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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0071
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deckt, von wo aus eine gute Beobachtung möglich war, und wo
tüglich viele vorübergehen muhten. Da kam eines Nachmittags
auch ein junger Wandersmann frohgemut des Weges daher,
der ihm besonders zu gefallen schien und den er schon von wei-
tem beobachtet hatte. Schnell griff er zur 2lxt und wollte schon
zum Hiebe aushvlen; aber er zuckte wieder zurück, weil es ihm
vorkam, als ob eine innere Stimme ihn vor dem Schrecklichen zu-
rückhalten wollte. Dann aber stürzte er plöhlich wie ein wildes
Lier aus dem Hinterhalt hervor und ließ das harte Eisen auf
sein Opfer niedersausen. Tödlich getroffen, sank der Wanderer
zur Erde. Als der Mörder aus den Papieren seines Opfers er-
fuhr, daß er seinen eigenen Bruder erschlagen, war er wie vom
Dlitz getroffen. Was sollte er jetzt mit dem Sündengeld an-
fangen? Es kam ihm vor, als ob jedes Stück. das er mit zittern-
den Händen aufhob und zählte, eine furchtbare Anklage gegen
ihn erhebe. Quälende Gewissensbisse stellten sich ein und ließen
ihn Lag und Nacht nicht mehr zur Ruhe kvmmen. Es ging ihm
wie Oudas Ischarioth. Er ging hin und erhängte sich. So hatte
der Mörder sein Berbrechen selbst gesühnt. Der himmlische Rich-
ter wird seiner Seele gnädig gewesen sein.

Das goldene Kalb.

Im Munde des Bolkes geht die Sage, dah der Schweden-
könig Gustav Adolf im Dreihigjährigen Krieg am Hungerberg
bei Waldhausen ein goldenes Kalb vergraben habe. Wo der
Platz aber nur zu suchen sein mag! Niemand weih ihn anzu-
geben. Alle hundert Iahre meldet sich der geheimnisvolle Schatz
durch ein kleines Licht über der Stelle, wo er ruht. Ein Maurer
aus Waldhausen ging einmal spät in der Nacht über den
Hungerberg nach Hause. Da sah er plötzlich eine eigenartige,
kleine Lichterscheinung. Er eilte darauf zu. den verborgenen
Schatz zu heben. Plötzlich ertönte des Nachtwächters Horn, und
die Sturmglocken läuteten. Als er aufsah, erblickte er eine Feuer-
garbe, die an der Stelle, wo sein Haus drunten im Dorfe stand,
zum Himmel emporloderte. Er ließ den Schatz im Stich und eilte
dem Dorfe zu. Aber je näher er sich seinem Hause näherte, umso
schwächer wurde der Feuerschein. Die Glocken verstummten. Nie-
mand auher ihm hatte den Feuerlärm gehört. Der Mann kehrte
um, den Platz wieder zu finden, wo ihm die Flamme erschienen
war. Bergeblich war aber alles Suchen. Das Lichtlein war und
blieb verschwunden. Ein böser Geist hatte ihn gefoppt und ihn
um den Goldschatz gebracht. (E. Baader)
 
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