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Bernhard, Jakob
Kurpfälzer Sagenborn: alte und neue Sagen aus der rechtsrheinischen Pfalz mit besonderer Berücksichtigung der Heidelberger Gegend sowie der angrenzenden Gebiete des Neckartals, des Odenwaldes und des Kraichgaues, der Bergstraße und der Rheinebene — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.4086#0076
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Siegfried im Odenwald.

Sein Tod.

-Zu Worms am Rhein herrschte der Burgunderkönig Gun-
ther. Kühne Recken waren seine Dienstmannen, einer der kühn-
sten unter ihnen Hagen von Lronje. Mit seiner Gattin Brun-
hild hatte Gunther anfangs die glücklichsten Jahre der Ehe ver-
lebt. Eines Tages aber erfuhr die stolze Königin. dah nicht ihr
Gemahl, sondern Siegfried sie bei der Brautwerbung kämpfend
überwunden hatte. Äber diesen Betrug aufs höchste erbittert,
sann sie Tag und Racht auf furchtbare Rache. Bald sollte sich
Gelegenheit bieten, sie auszuüben; denn zu ihrem Vorhaben
hatte ihr der grimme Hagen, ein Dienstmann Gunthers, Hilfe
und Beistand zugesagt. Anter dem Borwand, Siegsried auf
einer bevorstehenden Heerfahrt gegen die Sachsen zu schützen,
entlockte Hagen der arglosen Kriemhilde das Geheimnis, daß
ihr Gemahl eine einzige verwundbare Stelle habe zwischen den
Schultern. 2luf seinem Gewand wolle sie diese Stelle bezeich-
nen durch ein aufgenähtes, rotes Kreuz. Der Abschied Siegfrieds
von seiner Gattin war ein überaus schmerzlicher, weil ihr Herz
von trüben Ahnungen erfüllt war. Hatte ihr doch geträumt, wie
zwei wilde Schweine über die Heide gejagt und wie die Blu-
men vom Blute rotgefärbt wurden, ein andermal dann, wie zwei
Berge über ihm zusammengestürzt und ihn begraben hatten.
Noch sucht Kriemhild ihren Gatten zurückzuhalten, aber der 2lrg-
lose lächelt über ihre Besorgnisse und eilt seinem Schicksal ent-
gegen. Wie es heimlicherweise verabredet war, wird die Heer-
fahrt eingeftellt und eine 2agd im Odenwald an ihrer Stelle
angesagt. Gunther und alle seine Hofleute nehmen teil. Dald
hatten die Iagdgenossen den Rhein hinter sich und näherten sich
dem Gebirge, wo sie dem Weidwerk obliegen wollten. Wie glän-
zend bewährte sich Siegfried auch hier! Keiner der andern war
ihm auch nur im entferntesten gewachsen; höchste Anerkennung
und Bewunderung blieben ihm deshalb nicht versagt. Von der
Sonnenhitze ermüdet, sehnten sich die Helden nach einem kühlen
Trunk. Hagen gibt vor, er habe gemeint, das Iagen solle im
Spessart (einem Distrikt im Odenwald) stattfinden; dorthin habe
er den Wein gesandt. Doch hier in der Nähe sei eine sprudelnde
Quelle, die sie als Ziel für einen Wettlauf festsetzten. Siegfried
erreicht die Stelle zuerst, trinkt aber nicht, sondern wartet auf
Gunther. um ihm den Vorrang zu lassen. Erst nachdem der Kö-
nig getrunken, beugt er sich selbst zur Quelle. 2n diesem Augen-

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