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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0007

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Sacramentarium (Cod. Sal. ixb)

1 Sacramentarium

Cod. Sal. IXb, Pergament, 266 Bl., 24 X 18,5 cm, Reichenau,
Tafeln Seite 11,12 3. Viertel des 10. Jahrhunderts

Das in den Handschriften als »Sacramentarium« oder »Liber sacramentorum« bezeichnete liturgische Buch
enthält diejenigen Gebete, die der zelebrierende Priester, der Liturg, während der feierlichen Messe spricht. Es
bildet also später den wichtigsten Teil des »Vollmissales« (siehe unter Nr. 2).

Unser Sakramentar geht seinem Text nach im wesentlichen auf das sogenannte »Aachener Urexemplar«
zurück, das Karl der Große sich für seine geplante Liturgiereform von Papst Hadrian I. (772-795) erbeten
hatte: Wie dort und wie schon beim Sacramentarium Gregorianum (benannt nach Papst Gregor dem Großen,
590-604) sind auch hier »Temporale« (für Sonn- und Feiertage) und »Sanctorale« (für die Heiligenfeste)
nicht getrennt; für die Sonntage nach Ostern und nach Pfingsten sind zunächst keine Meßformulare vorgesehen
(in unserem Falle jedoch wohl für die Sonntage nach Epiphanias), da das päpstliche Sakramentar lediglich die-
jenigen Tage berücksichtigte, an denen der Papst selber Gottesdienste zu halten pflegte. Die fehlenden Teile
(wie Sonntags- und Votivmessen) wurden für den fränkischen Klerus durch Alkuin, den Hoftheologen Karls
des Großen, angefügt, der dabei zum Teil auf ältere Formulare zurückgreifen konnte.

Der so entstandene Kern bildet auch den - ins 3. Viertel des 10. Jahrhunderts datierten - Grundstock unse-
res Buches. Er wird ergänzt durch eine Reihe von Supplementen aus dem 10.-13. Jahrhundert1. - Der vorge-
bundene Kalender ist eindeutig für den Gebrauch im Kloster Reichenau bestimmt. Das kann für den etwa
gleichzeitig, aber von anderer Hand niedergeschriebenen Teil des Sakramentars und Benediktionals nicht mit
gleicher Sicherheit angenommen werden. Vielmehr läßt sich hierfür lediglich der Bereich der Diözese Konstanz
als Bestimmungsgebiet feststellen. Neuerdings ist sogar die Entstehung auf der Reichenau bestritten worden,
allerdings nicht wegen fehlender Beziehungen zu den unter diesem Namen in einem Schulzusammenhang
gesehenen Handschriften, sondern weil die Bedeutung der Reichenau als Zentrum ottonischer Buchmalerei
überhaupt in Frage gestellt wurde (Dodwell/Turner).

Mit einem weiteren Werk der »Reichenauer Schule« ist unser Kodex jedenfalls besonders eng verbunden:
mit dem Darmstadter Gero-Evangeliar. Nicht nur stammt der Text von demselben Schreiber Anno, der sich im
Gero-Kodex als solcher nennt und der wohl auch für die Initialornamentik verantwortlich ist, sondern das Bild
der Majestas Domini, das heißt des thronenden Christus, geht in beiden Fällen auf die karolingische Vorlage
des Lorscher Evangeliars zurück, hinter dem wiederum ein spätantikes Werk gestanden haben dürfte. Das Bild
wird von den ottonischen Handschriften jedoch nicht schlechthin kopiert, sondern in die Formensprache der
eigenen Zeit übersetzt, vereinfacht und ihren abstrakt-ornamentalen Stilprinzipien angepaßt. Dabei geht
unsere Handschrift in der Stilisierung und in der Reduzierung von Details noch einen Schritt weiter als der
etwas frühere Gero-Kodex. Farbgebung und Zeichnung entsprechen wahrscheinlich einer späteren Entwick-
lungsstufe desselben Künstlers.

Ohne Parallele in den heute bekannten Handschriften ist das Bild, das in dem aufgeschlagenen Buch der
Majestas-Darstellung gegenübersteht (40v, Tafel S. 12). Es zeigt eine weibliche Figur auf einem Sessel, ein
Buch auf dem Knie und ein mit Edelsteinen besetztes Kreuz in der linken Hand. Das mit Diadem und Juwelen-
gehänge geschmückte Haupt umgibt ein goldener Heiligenschein. Byzantinischer Einfluß wird angenommen für
diese Darstellung, in der man wohl eine Personifikation der Kirche als Braut Christi zu erkennen hat.

Während der Teil des Benediktionales (ab 234r) nur einfache Initialen in Rot (mit gold/blau/silbern-
gestreifter Füllung) aufweist, enthält das Sakramentar selbst 5 Initialseiten (42v, 43r, 44\ 55r. 106r), 7 weitere
Zierseiten (41v, 42r, 43\ 44r, 45r, 54v, 105v) mit Gold- und Silberschrift auf Purpurgrund oder auf gemustertem
Untergrund sowie 152 Zierinitialen im Text. Neu gegenüber dem Gero-Kodex ist der gemusterte Hintergrund
der Seiten 42v, 43r, 54v, 105v, 106r anstelle des einfarbigen Purpurgrundes. Das ausgesparte Muster zeigt, in die
Grundform des Quadrats eingefügt, bald Kreuze, bald verschiedene Blütenformen oder die Swastika.

Wichtig ist ferner ein Wandel der Initialornamentik nach Motiven und Stil (z.B. 122v, Tafel S. 11). Neben
die an St. Galler Vorbild anknüpfende schlanke »Kelchblütenranke« mit sichelförmigen Trieben und spiralig sich

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