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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0084

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(Cod. Pal. Germ. 76) Der Ackermann aus Böhmen

Johannes von Tepl DER ACKERMANN AUS BÖHMEN 26

Cod. Pal. Germ. 76, Papier, 32 Bl., 31,1 X 21,4 cm, schwäbisch, um 1470 Tafel Seite 88

In diesem Prosadialog, der frühesten literarischen Schöpfung humanistischen Geistes in Deutschland, streiten
ein Ackermann und der Tod über den Sinn des Lebens. Der Ablauf erinnert an die Form eines Prozesses,
in dem der Ackermann als Kläger, der Tod als Beschuldigter auftritt und wo von Gott das Urteil gesprochen
wird. Gegenstand der Klage ist der Tod der jungen Frau des Klägers. Dessen leidenschaftliches Aufbegehren
gegen den Tod, seine Verteidigung von menschlicher Würde, von Schönheit und Liebe, offenbaren in der
starken Diesseitsbezogenheit die grundsätzlich optimistische Lebensvorstellung der Renaissance, der der Tod
zum Problem werden muß. Demgegenüber scheint der Tod mit seiner verächtlichen Enthüllung menschlicher
Schwächen, moralischer und physischer Unzulänglichkeiten, und mit dem Hinweis, daß alles Lebendige zum
Sterben bestimmt sei, den Standpunkt mönchisch-mittelalterlicher Askese einzunehmen. Je mehr jedoch der
Ackermann einzulenken bereit ist, um so philosophischer, stoisch-weiser wird die Argumentation des Todes.
Gott spricht dem Kläger die Ehre, dem Tod den Sieg zu. Aussöhnung mit dem Tod, Ergebung in den Willen
Gottes und Verherrlichung seines Namens in einem langen Schlußgebet des Ackermanns zeigen die Rückkehr
zu einer dogmatisch-mittelalterlichen Haltung an.

Der Dichter des Werkes, Johannes von Tepl (geb. um 1350, gest. 1414) war Stadtschreiber und Schul-
rektor in Saaz, später, seit 1411, Protonotar in der Neustadt Prags. Er ist also ein Mann umfassender Bildung,
sein Stil geschult an der Kunstprosa Johanns von Neumarkt und an den bilderreichen Sangsprüchen Hein-
richs von Mügeln. Das vorliegende Werk ist aus persönlichem Betroffensein des Verfassers entstanden: in der
Gestalt des Ackermanns tritt er selbst hervor - als Mann der Gelehrsamkeit, dessen Werkzeug, die Schreib-
feder, von alters her mit dem Pflug des Landmanns verglichen worden ist. Gleichzeitig verkörpert er in dieser
Rolle den Menschen schlechthin: Adam, den ersjen Landbesteller.

Das Werk - um 1400 verfaßt - ist in^THandschriften und 17 Drucken überliefert. Der früheste Druck
erschien bereits 1460 als erstes gedrucktes Buch in deutscher Sprache bei Albrecht Pf ister in Bamberg.
Vielleicht war schon diese Ausgabe mit Holzschnitten ausgestattet. Das einzige bewahrte Exemplar in Wolfen-
büttel enthält sie allerdings nicht mehr, wohl aber die zweite Ausgabe von 1463. deren fünf Bilder von unseren
völlig verschieden und diesen künstlerisch zweifellos weit überlegen sind.

Die 35 Szenen der einzigen Bilderhandschrift zeigen alle das gleiche Motiv. Vor dem Tod, der als - nicht
völlig skelettierter - Leichnam ohne Berücksichtigung anatomischer Details mit Stock oder Zepter, bisweilen
mit einer Krone dargestellt ist, steht der Ackermann meist in ein und derselben Haltung, wenn auch in unter-
schiedlicher Kleidung, mit einem Gerät (Spaten. Dreschflegel. Axt. Hacke, Sense, Sichel, Heugabel u.a.)
über der Schulter, in kurzem Leibrock, mit Gugel und darübergestülptem, topfförmigem Hut oder verschieden
geformter Mütze, mit bis zu den Knien reichenden Beinlingen und spitzen Schuhen oder mit Stulpstiefeln.
Mitunter trägt er ein Kurzschwert an der Seite. Eine gewisse Bewegung entsteht durch die angedeutete
Gestik. Die Figuren befinden sich entweder auf einem buntkarierten Fußboden vor einem einfarbigen, orna-
mentierten, blauen Hintergrund oder sie bewegen sich auf einem grünen, von Blumen bewachsenen Rasen-
stück. Der Hintergrund ist auch hier einfarbig (rot). Die Blätter 11-22 (= 2. Lage) zeigen die beiden
Kontrahenten in einer offenen Landschaft. Von zwei zur Bildmitte hin abfallenden Hügeln bildet der eine
in dunklerem Grün den Vordergrund, der andere in hellem Grün den Hintergrund. Im Schnittpunkt erkennt
man die Silhouette einer Stadt. Auf Blatt 21v erstreckt sich davor ein See, von Schiffen befahren, der Hinter-
grund ist bei diesen Landschaftsbildern als blauer, nach unten hin aufgehellter Himmel gestaltet. In der dritten
und letzten Lage ist auf den Blättern 23-31 der Hintergrund wie ein teppichartig gemusterter Vorhang
gebildet, der mit verschiedenfarbigen Fransen besetzt ist.

Die Bilder sind stets von einem breiten Rahmen in Rot, Gelb oder Blau eingefaßt, der außen mit
schabrackenähnlich aneinandergereihten schwarzen Halbkreisen verziert ist. Bisweilen, insbesondere in der
letzten Lage, ist der Rahmen mit floralen, lilienartigen Ornamenten an den Ecken und Seitenmitten ge-
schmückt. Die insgesamt recht eintönigen Darstellungen erhalten in ihrer dekorativen Wirkung eine Steigerung

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