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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0016
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72 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenaii

B.

In der Historienbibel des Kölner Stadtarchivs (s. o. A V) ist
zwischen den Bildern der ersten und der zweiten Hälfte der alten E
ein durchgreifender Unterschied .bemerkbar. Zunächst fällt die gänz-
lich verschiedene Bemalung auf: statt der hellen durchsichtigen Farb-
töne in den ersten Bildern sehen wir von fol. 149 an trübe und schwere
verwendet, häufig wird zur Modellierung über eine lichte Farbe eine
ganz andere dunkle gestrichen: der Wechsel springt in die Augen.

Sehen wir uns darnach die Zeichnung an, die unter diesem
trüben Schleier steckt, so bemerken wir, dass auch diese eine ganz
andere ist, als die ein- für allemal feststehende Weise A's. Aber auch
der neue Zeichner bleibt nicht allein. Vielmehr hat er alsbald einen
Genossen neben sich, der wieder in abweichender Formengebung die
Feder führt. Niemand wird zwei Bilder, wie die auf fol. 183 und
fol. 186', einer Hand zuweisen, wenn deren jedes von einer ganzen
Anzahl gleichartiger begleitet ist, also zwei Gruppen erkennbar sind,
die durchaus auseinanderfallen, durch keinerlei Mittelstufe verbunden
werden.

Hier haben wir es zunächst mit dem ersten der beiden Mit-
arbeiter A's zu thun. Nennen wir ihn B. Dieser Zeichner übt den
streng gezogenen Stil. Und zwar sind die Umrisse seiner Bilder auf-
fallend kräftig. Diese ganz gleichmässig starken Linien, die auch in
den Enden selten abschwellen, finden sich so regelmässig in dieser
Stärke bei keinem anderen Zeichner. Zu diesem Erkennungsmerkmal
treten Eigenheiten der Formenbildung: seine Gesichter sind verhält-
nissmässig breiter uud kürzer, als die A's, nähern sich oft dem Rund.
Sowohl im Dreiviertel- als im Vollprofil begegnet mitunter eine sehr
stark gebrochene Wangenlinie. Aber bei aller Neigung zur Charak-
teristik verlässt den Zeichner nie ein gutes Stück Wirklichkeitssinn.
Zu solchen Missschöpfungen in der Zeichnung der Gesichter und der
ganzen Körper wie C läset sich B nie verleiten. Seinen Sinn für
Ebenmässigkeit der Gebilde bekundet auch, dass er regelmässiger als
alle andern die Architectur, grösseres Geräth u. s. f. mit dem Lineal
ausführt.

Wird B durch die Neigung zu individualisieren von A, durch das
dabei gewahrte Mass von C unterschieden, so hebt er sich über beide
durch die Ausführung des Schauplatzes. Man kann ihm ein gewisses
Raumgefühl nicht absprechen. So begegnen uns in seinen Bildern
Anläufe zu eigentlicher Landschaft, die freilich über einen felsigen
Vordergrund nicht hinauskommen.1) Auch seine Architectur bleibt an
Grösse wenigstens nicht hinter den besten Leistungen um 1400 zurück.
Der Zeichner gehört zu den regsameren Geistern der Werkstatt,

1) Von C unterscheidet er sich dabei durch die Behandlung des Bodens
als Felsplatte (s. o. S. 22) und dadurch, dass er den obern Abschluss des Boden-
streifens nicht wie C durch eine Lage schräger kreuzweis geführter Striche
vollzieht.
 
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