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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0027
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84 Diebolt Lanber und seine Werkstatt in Hagenau

G.

Die Stadtbibliothek von St. Gallen bewahrt eine zweibändige
Historienbibel, deren Bilder mit denen B's und F's eine gewisse Ver-
wandtschaft zeigen. Diese beruht zunächst auf der Bemalung, welche
dort und hier fast dieselbe ist. S. d. Einl. zu B. Aber auch die
Technik ist nicht gänzlich verschieden. Der Zeichner der genannten
Bibel steht in der Mitte zwischen B und F. Wenn B stets den gleich-
massig gezogenen Stil in starken Linien übte, und F ebenfalls vom
gezogenen Stil aber in dünnen Linien ausging, allmählig kräftiger wurde
und schliesslich wenigstens kürzere Strecken mehr strich als zog, so
wendet unser Zeichner zwar ebenfalls gezogene Linien an, aber sie
sind nicht so gleichmässig wie die B's und werden doch nie so keck
wie die F's.

Damit sind wir schon von der Verwandtschaft zu den Verschieden-
heiten der drei Zeichner gelangt. Thatsächlich überwiegen diese auch
bei näherer Betrachtung.

Es zeigt sich, dass schon der — ich möchte sagen geistige —
Gesammtcharakter unseres Zeichners G ein anderer ist. Es findet sich
kaum eine Spur von dem energischen Losgehen auf charakteristische
Wahrheit, das F eigen ist. Zwar gebrochene Profillinien und gewalt-
sam verstellte Augen bemerken wir auch hier. Aber nie führen diese
Anläufe zu so gelungenen Köpfen, wie sie F erreicht. Viel eher er-
innern sie an ähnliche Versuche in der Dresdener Bibel (A 50). Aber
auch B überragt den Zeichner der St. Galler Bibel, ebensowohl in
der gleichmässigen Lebenswahrheit seiner Personen, als in dem Gefühl
für einen der Scene angemessenen Schauplatz. G findet nichts darin,
das wiederholt erforderliche Bett auf grünen Plan unter einen blühenden
Baum zu stellen.

Im Einzelnen erweist er sich keineswegs als zurückgeblieben
hinter seinen Mitarbeitern. Sinn für zureichende Architectur kann
man ihm nicht absprechen und auch eine ganz erträgliche Felsland-
schaft vermag er zu zeichnen. Endlich steht er, was die dramatische
Belebung der Gruppe anlangt, hinter keinem zurück. Scenen von so
anschaulicher Kraft, wie der Judaskuss in der genannten Bibel, sind
in der ganzen Werkstatt selten. Aber bei alledem fehlt die Gleich-
mässigkeit, das einheitliche realistische Streben, welches B eignet.

Kommt G dem eben erwähnten Genossen in der Kunststufe ziem-
lich nahe, so fallen beide ganz aus einander, wenn wir auf Einzel-
heiten der Formensprache, auf Neigungen und Abneigungen in der
Gestaltenbildung achten.

G's Gesichter haben etwas weichliches. Das Oval ist breit, oft
ganz das alte, kindliche mit starker Einziehung in der Höhe der Augen
und hervortretenden Backenknochen. Die Nase ist breit mit runder
Kuppe. Das Untergesicht ohne deutliche Absetzung des Kinns. Häufig
ist der Kopf vorgestreckt dargestellt: dann wird vom Kinn ab zwar
die äussere Linie, welche der Umriss fordert, zur Bezeichnung vorf
Kehle und Hals gezogen, aber nicht die horizontal verlaufende Linie
 
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