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Kladderadatsch in Paris: Humor und Satyre auf die Industrie-Ausstellung — Berlin, 1-5.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.2326#0010
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10

Da an der Tribüne Stufen
Hohnlachtc dcr wilde Troß.
(Ls stanipfte mit den Hnfen
Sardiniens springendes Roh;
Es wieherte dnrch die Schonnng:
,DaS ist der Dcmk! Ja, ja!
Da hast dn deine Belohnung,
Ariner La Marinora!" —
„Weßhalb sich die Herren verknnrren,
Jch weiß es nicht, mein' Seel'!" —
So sprach niit trägcin Mnrren
Das Tnrkische Kanicel —
,O hätt' ich n ie voni Leder
Hegogcn! So klag' ich jetzt,
Da seinen Fuß ein Jeder
Aus ineincn Nackcn srht.
Lasitragender Wnstenwandrer,
Dcr steis nnr kencht imd schwiht,
Ob Dieser, ob cin Andrer
Anf nieinem Bnckel sitzt,
Weiß ich: niein Pfad, er leitct
Znni Ziel dnrch Roth nnd Qnal;
Und — wcr znletzt inich reitet,
Jst inir am End' cgal!" —

„Rnhinwnrdiges Geständniß!" —
So brimmit der nordische Bär —
„Doch komiiit dir die Erkenntniß
Ein wenig hinterher!
Deim, sind's nicht leere Worte —
Was hast du dich widersetzt,
Und dnrch die hohe Psorte
Die Andern ans mich gehetzt?
Um deinetwillen banden
Sie maiichen Bären aii:
Wir aber, nnn, wir standen
So ziemlich misern Mann!
Auch stehn in des Rordens Forsten
Wir nicht ganz hilflos da:
Wo Deutschlands Adler horsten,
Da ist uns Hilse nah!" —
„Rnr rnhig, ohne Hitze!
Kalt Blnt nnr immerdac!" —
So ruft von hohem Sitze
Hernieder ein Königsaar —
„Wir warten rnhig nnd lanschen
Hier, der Geschichte fern,
Und uiisre Flügel rauschen
Fnr Keinen von euch, ihr Herrn!

Still horsten wir, als kluge
Zuschauer, auf einsamer Höh':
Wir sind von hohem Fluge —
Berstehn Sie? „llants voleo!"
Wir kommen vielleicht heruuter;
Jetzt sind wir noch neutral!
Wir werden — — doch lenchtet immter
Nicht dort schon des Morgens Strahl?"
Und wirklich, am Morgeiihimmel
Wie glntige Flammen brennt's.
Schnell wnrde mit Getümmel
Geschlossen die Conferenz.
Die Sitznng war zu Ende,
Vertaget allsogleich,
Gerad' so, als wären's Stände
Ans dem Hnniioverschen Reich.
Sie fliehcn mit Blitzes Schnelle
Und bergen sich still nnd schlan,
Die Eincn in ihre Zelle,
Die Andern in ihren Bau.
Und als in Tages Helle
Des Gartens Baimischmnck prangt,
War Alles an Ort nnd Stelle
Stiü im ckareliii ckss xlantss.

Hirslh's empfiudsame Reise

nach.


oder:

Wenn Leute Geld haben!
Ein socialer Roman »us den Tagen der Pariser Weltausstellung.

Zwcites Crpitel.

O Paris, Paris! Du sündige Babel an dcr Seine — dis geschminkte
Buhleriu unter den Städten der alten und neuen Welt! Paris, du Kno ten-
punkt aller EuropLiichen Verwickelungen, du Verwickelungspunkt
aller Europäischen 5tnoten! Paris, du Mutter der modernen Civilisation,
du Großmutter oer Guillotine und der Lmis cks la tsts, du Tante
aller Rwoluttonen, die du mit Nichten gesegnet bist und — mit Neffen!

Paris — Paris-—


blous voilü urrives ü kuris.
Mt diesen Worten zcrschnitt der das
Coups öffnende Eisenbalmbeamte die
nnunterbrochens Reihe inhaltsschwerer
Gedanken, welche das kleine Hirn des
großen Berliner Commercienraths zu
erzeugen gewiß nicht ermangelt hätte:
ware nicht ein Leitartikel der „lu-
ckspsockuuLs llsl^s", die auf dem
Drüsseler Bahnhofe dem Helden un-
serer Erzählung von einem fliegenden
Buchhändler gewaltsam insinuirt wor-
den war, so gefällig gewesen, ihm die
nngewohnte Mühe abznnehmen und
den Besttzer des wenig abgenutzten
Denk-Apparats in einen Schlummer
zu diploinatisireii, vor dessen Festig-

teit selbst die imposanten Vefestigungswerke von St. Denis unbeachtet und
unberücksichtigt verschwinden konnten.
iüoiis voilü ui-rivss ü i?!iris! — wiederholte noch traumwachend der Held
unserer Geschichte, als er wenige Minuten nach fünf Uhr auf dem Nordbahn-
hofe angekommen, das Coups verließ, um behufs der Revisiou seines Gepäcks
in die benachbarte Douane geführ't zu werden, woselbst ihm außer einer Flasche
„Rüdcsheimer Hinterhänser" nur noch zwei Viertelkisten „Regalia"
und ein Päckchen offener Briefe abgenommen wurden, welche ihm von
seinen Berliner Freunden Humboldt, Rauch, Meyerbeer, Rellstab, Bloch
und Hollander, an seine Freunde in Paris, Vsron, Hector Berlioz, Guizot,
Thiers, Granier de Cassagnac, Fiorentino und Mrss, weniger zur Empfeh-
lung äls zur Ersparung des Portos anvertraut worden waren.
Roch erschöpst von dem so eben erlittenen Verlust, wegen dessen er übrigens
schon am nächsten Tage in einer an seinen Freund Fould zu richtindcn
mottvirten Beschwerde Genugthuung zu fordern entschlvssen war, gelangte der
Commercienrath nach dem lckötsl cks 1» rus cks Ilivoii.
flns vliunibrs, IIII prsmisr! — herrschte er dem ihn empfangenden Kellner
entgegen.
illoiisisur, s'su 8uis knoiis; llinis öllss sollt toutes osLllpsss, !t la
ssuls sxseptioll ck'Ullö pstits pisos cku eiuizuisius nu-cksssus cks I'sutrssoi.
liit «gus cköiunucksL-vous pour ostts pises?
Oiuiz trauos pnr sour, s'il vous plnit.
iVlousisur ls Anryou, wenn Sie nicht als Franzose jedenfalls Ritter der
Ehrenlegion wären, so würde ich mir erlauben, Sis entweder für unverschämt
oder für verrückt zu erklären.
iA-iis uiousisur! — — -— '
Fürchten Sie nichts, lieber Kellnsr. Mein Freund Bictor Hugo
pflegte mich stets daran zu erinnern, daß man nie sagen soll, was eine Sache
ist. Deßhalb sein Sie ganz unbesorgt und bringen Sie mich nach meinem
Zimmer.
aäli, ruousisur sst nmi cks lliousisur Vietor llubo? — fragte, plötzlich
sein Betragen verändernd, der Kellner und blickte mit einem vielsagenden Lä-
cheln seitwärts anf eineri mehr anständig als verdächtig gekleideten Herrn, wel-
cher ganz zufällig, den Aiikomiiiendcn beobachtend, in der Thür des Corridors
stand und von Zeit zu Zeit kleine Rottzen in seine Briestasche schrieb. Zugleich
wnßte der Kellner die weiße Serviette, «elche jeder Kellner als ew imverttlg-
bares Muttermal unter dem linken Arme mit zur Welt bringt, geschickt z«
benlitzen, um sich einen Knoten in dieselbe zn machen.
Pstii, was ftir eine Atmosphäre! — keuchte der Commercienralh, in das
ihm angewiesene Zimmer eintretend. Ouvron lss lsustres!
O'sst iiupossibls — achselznckte der schadensrohe Garyon.
 
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