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menschliche Schädel besteht aus harten Knochen mit vielen, zumal
am männlichen Schädel zahlreich vorhandenen Nähten. Eine Naht
verläuft um das Gesicht. Jedoch hat man auch zuweilen mensch-
liche Schädel gesehen, an denen sich gar keine Naht befand. Es
deutet das auf ein sehr hohes Lebensalter ihrer ehemaligen Besitzer,
denn mit zunehmendem Alter drückt sich die Hirnschale mehr zu-
sammen und wird dicker. Der kindliche Schädel ist unvollkommen
entwickelt bis zu der Zeit, wo die Sprache anfängt, wie ich her-
nach zeisren werde, wenn vom Gehirn die Rede sein wird. Der
Schädel enthält drei Kammern. Die erste Kammer liegt im Yorder-
haupt. Sie birgt die seelische Kraft, welche Fantastica oder Ima-
ginaria, zu deutsch: Einbildungskraft genannt wird, weil sie die
Eindrücke und Aehnlichkeitsverhältriisse aller erkennbaren Dinge in
sich aufnimmt. Die zweite Kammer, mitten im Schädelinneren ge-
legen, bildet den Sitz der geistigen Fähigkeit, welche Intellectualis
oder Vernunft heisst. Im Hinterhaupt finden wir die dritte Kammer,
bestimmt zur Behausung der Seelenkraft, welche den Namen Me-
morialis, zu deutsch: Gedächtniss führt. Diese drei Seelenkräfte
umfassen den ganzen Kreis der geistigen Erkenntniss. Die erste
wird befruchtet durch den Eindruck der in der Aussenwelt wahr-
nehmbaren Dinge. Der Eindruck selbst wird vermittelt durch die
fünf äusseren Sinne: Gesicht, Gehör, Genich, Geschmack und Gefühl.
Die zweite, in der mittleren Kammer befindliche Kraft wägt und
beurtheilt den Werth der gewonnenen Eindrücke wie eine kluge
Hausfrau eine ihr angebotene Waare. Die dritte Kraft in der
letzten Kammer hütet und bewahrt die erhalteneu Eindrücke und
verarbeitet und durchforscht sie sorglich, wie eine zuverlässige Be-
schliesserin. Man sieht deshalb auch oft, dass ein Mensch in Folge
schwerer Verwundung des Hinterkopfes sein Gedächtniss verliert,
oder seine Vernunft einbüsst nach einer Verletzung oder einem
schweren Schlag auf das Vorderhaupt. Aristoteles lehrt, dass
jedes Thier ebenso eine harte Hirnschale besitze, wie ein Baum
harte Wurzeln. Der Baum zieht nämlich seine Nahrung aus der
Erde gerade so wie der Mensch sie mit dem Munde aufnimmt.
Desshalb heisst auch der Mensch auf Griechisch: Antropos, was
auf deutsch: umgekehrter Baum bedeutet.1) Denn wie der Mensch

l) Eine der vielen wunderlichen Etvinologieen Konrad's, die uns
namentlich bei der Beschreibung der Thiere und Pflanzen wiederholt be-
gegnen werden.
 
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