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Geier die Beute nicht gleich fort, sondern probirt erst, wie schwer
sie ist. Kann er die Beute schleppen, so nimmt er sie mit. Ra-
banus erwähnt, einige Geier seien ohne Begattung, also ohne die
Verbindung von Männchen und Weibchen, zeugungsfähig, und ihre
Nachkommen lebten hundert Jahre. Plinius sagt: Der Geier
raubt vom Mittag bis zur Nacht und ruht vom Morgen bis zum
Mittag, ohne die geringste Beute zu macheu. Im Alter wächst der
Oberschnabel über den Unterschnabel so herüber, dass er den
Sehnabel nicht öffnen kann. Er muss dann vor Hunger sterben,
weil er nicht, wie der Adler, seinen Schnabel an den Steinen wetzt
und so sich seines Ungemachs entledigt. Desshalb muss er sterben.
Einige berichten, der Geier verschlinge sein eigenes Gehirn, wenn
er den Tod herannahen fühlt, damit es den Menschen nicht zu
Nutzen komme. Es ist nemlich gut gegen Paralyse. Sieht er,
dass ein Junges fett und in Folge dessen faul geworden ist, so
hackt er ihm mit dem Schnabel die Beine unten auf, damit es
wieder mager wird. Er kämpft mit dem Greiffalken und dem ge-
meinen Falken und stösst nach ihm. Der Falke ist ihm aber zu
behende und zu schnell und entkommt dadurch dem Geier, wenn
dieser auf ihn stossen will. Der Geier kann sich dann nicht halten
und stürzt sich zu Tode. Da der Geier auf jedes Aas und alles
Geflügel geht, scheut er sich nicht vor den Schlingen und Fang-
eisen. Ambrosius sagt, der Geier gebe durch einige Zeichen den
Tod eines Menschen zu erkennen. Will nemlich ein König mit
dem ändern kämpfen, so folgen die Geier den Heeren nach, als
ob sie anzeigen wollten, dass viel Volk werde erschlagen werden.
Ich glaube aber, dass Das eine Art Gewohnheit bei ihnen ist, weil
die alten Vögel schon vorher dergleichen gesehen haben, oder aber
sie haben es durch eine besondere Einrichtung der Natur, wie viele
andere Thiere, die das Kommende vorher anzeigen. Der Geier
ist für mich das Sinnbild der habgierigen Raffer und Genuss-
süchtlinge, sie seien Laien oder Pfaffen, die sich über anderer Leute
Schaden freuen, damit sie selbst voll werden.

Damit schliesst das Kapitel von den Vögeln.
 
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